Blog zu diversen Themen:

- Was hat Siegmund Freuds Triebslehre mit der katholischen Lehre von der Enthaltsamkeit gemeinsam?

- Darf man die Urzelle der Ehe infrage stellen?

- Die Marathonläufer des Glaubens – oder wer revitalisiert die Kirche?

- Wenn der Eigenwille das Wissen über Gott überschattet.

- Hat sich Charles Darwin am Ende seines Lebens bekehrt?

- Was Historiker nicht beweisen können.

- Ist das Gehirn mehr als eine Masse von Nervenzellen?

- Liegt die Deutungshoheit für die Entstehung des Lebens bei Physikern?

- Kann man Gott intuitiv erkennen?

- Blockaden im Glaubensleben.

- Was ist moralische Intelligenz?

- Leben wir  in einer apokalyptischen  Zeit?

- Generation Selbstverliebt. Was nun?

- Die Suche nach einer verlorenen Zeit.

- Die Gewissheit des Glaubens versus Rausch der Wissenschaft.

- Wem nützt Eigenwilligkeit?

- Werden die Letzten die Ersten sein?

- Wenn eine Berufung ihr Ziel verfehlt.

- Das Leiden in Gebet verwandeln. Wie geht das?

- Was ist schwieriger? Sich an die Lehre der Kirche
   anzupassen oder an den Zeitgeist?

- Gibt es ein religiöses Erbgut im Menschen?

- MARIA, die milde Herrscherin.

- Die kreative Schweigsamkeit.

- Wenn Angst das Arbeitsklima lähmt.

- Wie gut sind die Gutmenschen?

- Quo vadis, Wissenschaft?


Kann man Gott intuitiv erkennen?

 

Der erste Kirchenhistoriker Eusebius von Caesarea (ca.263-339), schreibt: Schon von Beginn des Menschengeschlechtes an haben alle, die geglaubt  haben, den göttlichen Logos (Jesus) mit den Augen des Geistes erkannt  und  ihm  als Sohn Gottes die gebührende Ehrfurcht erwiesen. Abraham wurde durch die Anbetung Gottes zum Lehrer der Erkenntnis des Vaters geworden. Gott erschien ihm als einfacher Mensch  (Genesis 18, 1), als  er unter einer  Eiche sass. Sofort fiel er, obwohl er mit seinen Augen nur einen Menschen sah, auf den Knien nieder und betete ihn als Gott an –, flehte  zu ihm als Herrn und sagte, dass er ihn genau erkenne: „Herr, der du die ganze Erde richtest, stehe vom Urteil ab!“ (Zwischenbemerkung: Im Psalm [106, 20] heisst es: „Er entsandte sein Wort und heilte sie und bewahrte sie vor dem Untergang“. Gott liess Schwefel und Feuer über Sodom und Gomorrha regnen, Abraham und seine Familie wurden aber gerettet. Vgl. Genesis 19, 24)

Und in den Sprichwörtern des Alten Testaments wird Jesus als WEISHEIT genannt, der noch vor der Erschaffung  der Welt  bei Gott (Vater) war. So redet Jesus, der präexistierende  göttliche Logos, auch heute zu uns: „Der Herr hat mich am Anfang seiner Wege für seine Werke erschaffen; vor der Zeit hat er mich gegründet. Im Anfang, vor Erschaffung der Erde, ehe noch die Wasserquellen  hervorsprudelten, ehe  noch die Berge gegründet wurden, vor allen Hügeln erzeugte er mich.  Als er den Himmel  bereitete, war ich bei ihm, und als er unter dem Himmel die Quellen sicherte, war ich bei ihm, um zu ordnen. Ich war es, mit der er sich täglich freute. In seiner  Gegenwart  freute  mich zu jeder Zeit, da er sich ergötzte an der Vollendung der Erde.“ (Spr. 8, 22-25. 27 f. 30 f.)

Wie konnte Abraham Gott erkennen, da er ihn vorher nie gesehen  hatte?  Darauf gibt  es  eine  plausible  Antwort  bei dem Propheten EZECHIEL  (36, 26-28): Gott sagt: „Ich schenke  euch ein neues Herz  und  lege  einen  neuen Geist  in euch. Ich nehme das Herz von Stein  aus eurer  Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist  in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen  folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt.“

Doch, wie Eusebius  sagt, Voraussetzung  dafür ist, die Bereitschaft zum Glauben. Der grosse Naturwissenschaftler  und  Philosoph Blase  Pascal  (gest. 1662), der selber eine tiefe  Glaubenserfahrung  durchlitt - worauf ich noch eingehen werde -, diagnostiziert  in diesem Zusammenhang  eine grobe Unkenntnis bei vielen seiner Zeitgenossen.  Im Paragraph 432/28 seiner berühmten  „Gedanken“, schreibt er: Unsere  Fantasie  lässt uns die Gegenwart  insofern  überaus  wichtig erscheinen,  als  wir über sie zu viele Betrachtungen anstellen;  wir machen „aus der Ewigkeit  ein  Nichts und  aus  dem Nichts  eine  Ewigkeit“. 

Im Fragment 47, präzisiert er: “Der Mensch lebt in einer bestimmten Zeit, doch die Gegenwart  entzieht sich ihm; er ist darauf  angewiesen, der  Vergangenheit  nachzutrauen oder die Zukunft  herbeizuwünschen,  kurz,  sich  nur  mit  jenen Zeiten zu  beschäftigen, die nicht existieren, da er jene, die existiert, nicht zu erfassen vermag.“

Pascal  selbst hat unter Tränen eine lebendige Glaubenserfahrung durchgemacht.  Es  geschah  am 23. November 1654. Deren Erinnerung  bewahrte  er auf einen Zettel, eingenäht in seinen Rock. (Man fand  ihn nach seinem Tod)

 

Aus der Originalsammlung: (Auszug)

„Seit  ungefähr  halb  elf  Uhr abends  bis ungefähr eine halbe Stunde nach Mitternacht. Feuer...

Der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jacobs (2.Mose 3,6), nicht der Philosophen und der Gelehrten.  Gewissheit, Empfinden, Freude, Frieden. (Der Gott Jesu Christi)  Deum  meum  et deum vestrum  ‚Ich fahre auf zu meinem Vater und zu euerm Vater‘, zu meinem Gott und zu euerm Gott (Joh. 20,17)…Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer  Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum  Christum,  erkennen.“ (Joh. 17,3)

Pascal bekehrte sich ganz nach diesem Ereignis.

Jean-Robert  Armogathe, der die Einführung  zu der obigen Studiumsausgabe  des „Gedanken“  verfasst  hat (1986), sieht  keine  religiöse Erfahrung  in diesem Ereignis; vielmehr  glaubt er zu wissen, dass der geniale Mathematiker und Erfinder der ersten Rechnungsmaschine,  lediglich  unter den  theologischen  Streitigkeiten seiner Zeit  litt. Doch er täuscht sich. Wäre es dem so gewesen, hätte Pascal  nach dieser Glaubenserfahrung  seine alten  Gewohnheiten  nicht   geändert. Er entschied sich für ein bescheidendes  Leben,  pflegte  kranke Obdachlose,  verbrachte viel Zeit  mit Gebet, und als er dem Tode nahe war,  bat er um ein Armenbegräbnis.

 

Nun, welche Philosophen meint Pascal, wenn er von seinem Erlebnis spricht?  Von diejenigen, dessen Gedankengut und Überlegungen dahin gehen,  dass es keine Gotteserkenntnis  mithilfe  der Vernunft gibt, weil es keine eingeborene, a priori (lat.„vom früheren her“)  Idee von Gott und seinen Geboten existiert. Eine von diesem Denker war der bekannte englische Philosoph David Hume (1711-1776). Nach ihm ist die ganze Welt  ein Rätsel, ein unerklärliches Mysterium, Zweifel und Ungewissheit. Nur in den Sinneseindrücken und  lebhaften Empfindungen, wie hören, sehen, fühlen, lieben, hassen und begehren, liegt die letzte Wahrheit.

(Zwischenbemerkung: Es ist anzunehmen, dass die Philosophie  von David  Hume in den berühmten Pariser Salon von Madame de Pompadour (offizielle Geliebte von König Ludwig XV.), wo er ein gern gesehener Gast war, beeinflusst wurde. So schreibt er an einem Freund: „Sie fragen mich nach meinem Leben. Ich kann nur sagen, dass ich nichts als Ambrosia esse, nichts als Nektar trinke, nichts als Weihrauch atme und auf nichts als auf Blumen wandle.“  Und ein zeitgenössischer Beobachter erzählt, man habe Hume in der Oper „zwischen lächelnden Gesichter junger Damen gesehen.“  (Vgl. W. Weischedel,1987, S.172)

Fazit seiner, wie mancher heutigen Philosophen ist: Religiöse „Wahrheit“ im vorbewussten  (eingeborenen)  Sinne gibt  es nicht, ihre Entstehung erfolgt aus einer  psychologischen  Notwendigkeit  (Wunschvorstellung).

Ich denke, es ist nicht schwer einzusehen,  dass  solche, von Hume & Co. propagierte „Wahrheiten“, die nur auf Sinneseindrücken basieren, lediglich irdische (vergängliche)  Alltagswahrheiten  sind und niemals Gott erspüren können. Das kann nur der Glaube.  Darum gibt es Glaubenswahrheiten.

 


 

Blockaden im Glaubensleben.

(Oder: Warum wir Gott oft vergessen)

 

Blockaden im Glaubensleben treten häufig auf,  wenn man zum Beispiel,  1.) beginnt an die Güte Gottes zu zweifeln, 2.) wenn man das Gefühl hat, dass Gott  die Gebete nicht erhört,  3.) oder wenn man in einer Tätigkeit oder Aufgabe so aufgeht, dass dann die Frage nach Gott ohne Bedeutung wird.

Allen diesen Fällen ist gemeinsam, dass sie unseren eingeborenen Instinkt nach Gott schwächen, unter Umständen sogar auslöschen. Vielfach entsteht dabei ein seelisches Defizit  (ein Vakuum), das nach Ersatz drängt. Und hier bieten sich verschiedene Möglichkeiten an: Etwa die Suche nach neuen Erlebniswerten, Karriere, Förderung der eigenen Begabungen, Realisierung spezifischer Wünsche, Optimierung des Selbstwertgefühls usw. Die Sehnsucht nach Gott, die vielleicht  unsere Ziele früher formte, verschwindet. Doch wie lange kann das gut gehen? Oder anders gefragt: Kann der wichtigste Baustein unseres Seelenhaushaltes, das instinktive Verlangen nach Gott, durch ein Streben nach irdischem Glück, oder einer an sich lobwürdigen Hingabe an eine Aufgabe, die der Allgemeinheit zugute  kommen soll,  gleichwertig oder untergeordnet  sein?  Lebt man da nicht an einem „inneren Ziel“ vorbei?

Im Folgenden möchte ich das Gesagte am Beispiel einer hervorragenden Wissenschaftlerin,  Marie CURIE (1867-1934), veranschaulichen. Für ihre bahnbrechenden Untersuchungen zur Radioaktivität (auch bei Krebstherapien), erhielt sie zusammen mit ihrem Mann, Pierre Curie, im Jahre 1903 den Nobelpreis für Physik und 1911 allein den Nobelpreis für Chemie. Ohne ihre Untersuchungen zur Radioaktivität wäre das 20. Jahrhundert anders verlaufen.

 

Zu ihrer Lebensgeschichte.

Marie Curie war vier Jahre alt, als ihre Mutter an Tuberkulose erkrankte. Obwohl ihr Vater Wladislaw Sklodowski, ein Professor, Geldsorgen hatte, beschloss er seine Frau zur Kur zu schicken. Die damalige Lehrmeinung war, dass Tuberkulose  sich durch lange Aufenthalte in den Bergen oder in milden Klima, durch viel Ruhe und den Genuss von Heilwasser kurieren lasse. Da sich die Familie keine persönliche Betreuerin leisten konnte, ging die zehnjährige Schwester von Marie, Zosia, mit. Doch im zweiten Jahr  ihrer Abwesenheit von der Familie (1873), wurde das Heimweh der  Mutter unerträglich. Am Heiligenabend deckte Zosia in Nizza den Tisch wie zu Hause, und gemeinsam brachen sie  weinend die Hostie (der Leib Christi in Gestalt des Brotes), die  man ihnen aus Warschau geschickt hatte. Gebe Gott, so betete die Mutter, „dass dies das letzte Weinachten weit weg von meiner Familie ist“.- Bronislawa (so hiess die Mutter), hatte als strenggläubige Katholikin ihren Glauben an die Kinder weitergegeben. So ging das Kind Marie jeden Sonntag mit einer Tante in die Kirche. Dort beteten sie für die Gesundheit und Rückkehr der Mutter. Als die Mutter nach Hause kam, ging Marie, damals sechsjährig, in die Kirche.  Sie  bot ihr eigenes Leben an, wenn Gott ihre Mutter heilte. Zu dieser Zeit eröffnete  ihr Vater ein Jungenpensionat,  hauptsächlich für Schüler aus der Provinz. Dort brachte er auch seine Familie unter. Von da an gab es fast kein Raum mehr für Privatsphäre. - Im Januar 1874 wurde Zosia und die Mutter von einem der zahlreichen Pensionsgäste mit Typhus angesteckt. Wochen später starb Zosia, und im Mai 1878 erlag die Mutter an ihrer Tuberkuloseerkrankung.  Am  Sonntag nach der Beisetzung der Mutter besuchte Marie wie üblich die Kirche. Aber als sie zum Gebet niederkniete, wurde  es ihr  klar, so ihre Biografin Barbara GOLDSMITH, dass sie nie mehr an die Güte Gottes glauben wird.   

Und es blieb tatsächlich so. In ihrer späteren wissenschaftlichen Karriere teilte sie mit Überzeugung die Ansicht der „Positivisten“ (eine Richtung in der Philosophie), dass  nur das gilt, was man mit Logik, Mathematik und naturwissenschaftlichen Mitteln beweisen kann.  Der Glaube an die Wissenschaft ersetzte ihren Glauben an Gott.

 

Hinwendung zum Spiritismus.

Zum Glauben an die Wissenschaft kam der Glaube an Spiritismus. (engl. Spirits, „Geister“)  Die Anhänger dieser Richtung  glauben, dass die Verstorbenen als Geister weiterleben und dass man durch ein geeignetes Medium mit ihnen Kontakt aufnehmen kann. Sie und ihr Mann, Pierre CURIE, ebenfalls wie oben erwähnt, Nobelpreisträger, wohnten zahlreichen spirituellen Sitzungen (Séancen) bei. Sie betrachteten diese Zusammenkünfte  als „wissenschaftliche Experimente“ und machten sich umfangreiche Notizen dabei. Nach einer solchen Sitzung in der Gesellschaft für Psychologie habe Pierre in einem hell beleuchteten Raum, wie er sagte „Komplizen ausgeschlossen“, beobachtet, wie Tische sich auf mysteriöse Weise in die Luft erhoben und unsichtbare Hände ihn kniffen oder liebkosten. An einem Freund (Georges Gouy), schrieb er: „Ich hoffe, es wird uns gelingen, Sie von der Wirklichkeit wenigstens einiger Phänomene zu überzeugen.“ – Noch wenige Tage vor seinem Tod  (Pierre Curie starb 1906 einen plötzlichen Tod; er geriet bei der Überquerung der Pont Neuf in Paris unter dem Rad eines schwer beladenen Pferdefuhrwerks, wobei sein Schädel zerquetschte),  schrieb er: „Wir haben hier, meiner  Meinung nach, mit einem ganzen Feld vollkommen neuer Tatsachen und physikalischer Zustände im Raum zu tun…“

Und 1910, vier Jahre nach Pierres Tod, ist Henri Poincaré (Physiker und Mathematiker) überzeugt davon, dass Pierres Geist habe Marie aufgesucht, um sie zu trösten. Nach den Tagebucheintragungen von  Marie Curie, trat sie mit ihrem verstorbenen Mann in direkten Dialog. Aber auch der bekannte Wissenschaftler William Crookes, der Erfinder und Entwickler  der „Crookes‘-schen Röhre“, gehörte zu diesem Kreis der Spiritualsten. Er berichtete über Sitzungen, in denen er  selbst miterlebte, wie ein Medium mit den Toten in Kontakt  trat.  Crookes behauptete,  eine „neue Wahrheit entdeckt“  zu haben.  (Vgl. B. Goldsmith, Wissenschaftsjournalistin, 2010, S.131-135)

 Nun stellt sich für mich die Frage: Was nützt es einem, der mit seiner Genialität die Welt der Wissenschaft  revolutioniert,  an der eigenen Seele aber Schaden anrichtet? Lebt er nicht an wirklichen Leben vorbei? (Vgl. hierzu Lukasevangelium  9,26)


 

Was ist moralische Intelligenz?

 

Wie allgemein bekannt, unter Intelligenz (IQ) versteht man die Fähigkeit  des Erkennens, des Sichzurechtfindens in einer neuen, ungewohnten Lebenslage auf Grund von Einsicht,  kurz die Mobilisierung des Verstandes durch das Denken. Der so genannte „Quotient“ (mathematischer Ausdruck zu Normdaten),  ist die Bezeichnung zur Bewertung des Leistungsvermögens. (IQ-Tests)

 Die emotionale Intelligenz, eine von den US-Psychologen John D. Mayer eingeführter Begriff (1990),  ist etwas Spezielles. Es ist die Fähigkeit, in den Gemütszustand  anderer Menschen sich hineinfühlen, hineindenken, Verständnis zeigen, partizipierend helfen und ähnliches. Diese Fähigkeit erwirbt man vor allem durch seelische  „Introspektion“ (Gewissensbildung) und Lebenserfahrungen.

 Und moralische Intelligenz? Ist sie mehr als emotionale Intelligenz?  Ich denke, schon. Weil sie aktiv bestrebt ist, im Umgang und Handlungen mit  Mitmenschen, auch einen sittlichen Wert („Schatz“) zu entdecken. Menschen, die das praktizieren, fügen nie (bewusst) anderen Menschen Schaden zu. Ganz im Gegensatz zu intelligenten Leuten, denen die moralische Kraft  fehlt, wohlwollend und in guter Absicht  Probleme mit anderen zu lösen.

Ein Beispiel: Die Kölner Staatsanwaltschaft versucht  aktuell  ein heikles Ermittlungsverfahren gegen den deutschen Geldadel zu beenden. Es geht um eine Strafanzeige  gegen einen  kleinen Kreis  ehemaliger Gesellschafter der „Sal. Oppenheimer Bank“, unter  ihnen Christopher Freiherr von Oppenheim,  Matthias Graf von Krockow und Baron Georg von Ullmann. Sie sollen sich den Wirren der drohenden Pleite einer der ältesten deutschen Privatbanken und dem anschliessenden Verkauf an die Deutsche Bank im Jahr 2009 Vorteile gegenüber anderen Gesellschaftern im dreistelligen Millionenbereich verschafft haben. So hätten sie in dem massgeblichen Konsortium dafür gesorgt, dass ihre persönlichen Kredite bei Oppenheim in Höhe von 339 Millionen Euro beim Verkauf an die Deutsche Bank nicht eingerechnet wurden. – Geschädigt wurden auch andere Gesellschafter, wie etwa die Enkel  des Konsortiumsmitgründers, Nicolaus Graf Strasoldo. Der Vater der beiden Kinder hat deshalb im vergangenen Jahr Strafanzeige eingereicht. (Vgl. Der SPIEGEL 25/2016)

Manchmal ist mit der Einsetzung der moralischen Intelligenz  (falls sie vorhanden ist), auch mit Verlusten und  Niederlagen zu rechnen. Doch das Gewissen und die persönliche Integrität werden dadurch nicht massiv attackiert. Ich denke, das ist ein Gewinn.

 


 

Leben wir  in einer apokalyptischen  Zeit?

 

  Wenn man die Worte des Kapuzinerpredigers Raniero  im Vatikan, in der Cantalamesse  am 3. April 2O15 aufmerksam verfolgt hat, muss man die Frage mit einem Ja beantworten. Bezugnehmend auf das Johannes Evangelium (16,2), zitiert er Jesus; „Es kommt die Stunde, in der jeder der euch tötet, meint, Gott einen heiligen Dienst zu leisten“. Diese Worte, so der Hausprediger des Vatikans, hätten „vielleicht  noch nie in der Menschheitsgeschichte eine so vollständige Erfüllung gefunden, wie heute.“

Und auch das sagt Jesus: „Der Himmel und Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen“. (Markus,13,3l) Diese souverän ausgesprochenen Worte kommen heute  bei vielen Menschen nicht an. Besonders bei denen nicht, die ihren eigenen Worten und Errungenschaften  mehr Bedeutung  beimessen als den Worten Jesu. Woher kommt das?

Der Ursprung dieser Gesinnung findet sich bei dem altgriechischen Philosophen und Mathematikers Phytagoras (gest. um 495 v. Chr.). Nach ihm ist dem Menschen alles  zugänglich, weil „ Der Mensch das Mass aller Dinge ist“. Auf diesem Grundsatz  wurde auch der weltweit  bekannte Wiener-Kreis, eine Gruppierung von elitären Intellektuellen verschiedener wissenschaftlichen Disziplinen unter dem Philosophen Moritz Schlick im Jahre 1924 gegründet. Sie entwickelten die so genannte Theorie zur „Verifikationskriterien der Bedeutung“ (Überprüfung einer Annahme durch logische Beweise), die zeigen sollte, dass die Frage nach der Existenz Gottes, „sinnlos“, beziehungsweise „sinnleerer Schein“ ist. Ihr Hauptargument war, und ist heute noch  unter vielen Wissenschaftlern gängig, dass solche Fragen deshalb unnütz sind, weil man Gott sowieso nicht mit wissenschaftlichen, bzw. messbaren  Methoden  beweisen kann (Vgl. Rebecca Goldstein, 2OO6). Natürlich. Dass wusste schon der bedeutende mittelalterliche Naturwissenschaftler  Blaise Pascal (geb.l623); darum sagte er in diesem Zusammenhang: „Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt“.  Woran aber heute Wissenschaftler intensiv forschen und mit ihren  Methoden beweisen wollen, ist  die Frage nach  der Machbarkeit einer künstlichen Intelligenz. David Gelernter, Professor für Computerwissenschaft an der Yale University (USA), jedoch bekennt: „Wir glauben, mit der künstlichen Intelligenz der Schöpfung eines übernatürlichen Geistes beizuwohnen und den Stein der Weisheit gefunden zu haben. In Wirklichkeit verstehen wir bis heute das Bewusstsein nicht.“ (Der Spiegel 21/2Ol6))  (Zwischenbemerkung: Der  Wiener-Kreis wurde im Jahre l936 wegen der Ermordung seines Gründers Moritz Schlick  aufgelöst. Ein ehemaliger Schüler von ihm  hatte Schlick im Treppenhaus der Universität  Wien erschossen)

Und wie sieht das Innenleben dieser  Menschen und vieler anderen aus, denen die Worte Jesu nichts bedeuten?  Mit Gewissheit kann ich sagen: Da sie sich den Tod als die grösste Katastrophe oder ein Versinken ins Nichts  vorstellen, leben sie bewusst oder unbewusst in ständiger Angst. Es ist eine Angst um den Verlust der eigenen Bedeutung. Der Tod ist für sie die „grösste Zumutung des Lebens“. Er nimmt die einen weg und lässt die anderen zurück. Er stoppt irgendwo alles und lässt überall alles weiterdrehen. Er kommt und unser Leben geht. (Vgl. NZZ, 29. Mai 2Ol6) Ich nenne das „Apokalypse des Innenlebens“. Gibt es dagegen eine wirksame Medizin? Ja. Der grosse Gelehrte des Mittelalters Thomas von Aquin (13 Jhd.), Verfasser zahlreicher theologischen Schriften und Gebete, verriet sie auf das Drängen eines  geistlichen Mitbruders (Reginald), kurz vor seinem Tod. Es geht um die Relativierung der eigenen Bedeutung gegenüber dem grossen unwandelbaren Gott. Thomas von Aquin zu seinem Mitbruder:

 „Versprich mir bei dem lebendigen, allmächtigen Gott …dass du niemals, so lange  ich lebe, das verraten wirst, was ich dir nun sage. Alles, was ich geschrieben habe, kommt mir wie Stroh vor im Vergleich zu dem, was mir jetzt offenbart worden ist.“ (Vgl. James Weisheipl, l98O, S. 294) Mit Sicherheit wurde Thomas von der Liebe Gottes berührt, einer Liebe, die rational nirgends zuzuordnen ist, weil sie alles Erfassbare übersteigt.

Ich denke, das zu glauben, ist die beste Medizin gegen eine  innere  und äussere Apokalypse, der wir ständig  ausgesetzt sind.

 


 

Generation Selbstverliebt. Was nun?

Es ist fast 40 Jahre her, dass der amerikanische Historiker Christofer LASCH für die westliche Welt das "Zeitalter des Narzissmus" ausrief. NARZISS, der in sein Spiegelbild verliebte Jüngling, war die Leitfigur seiner Warnung: eine von sich selbst absorbierte Persönlichkeit, die zwischen Selbstüberschätzung und Selbstverdemütigung schwankt, die sich zwar nach tiefen Bindungen sehnt, aber aus Angst, die schöne Fassung zu verlieren, nicht eingeht - und die, sobald Bestätigung und Bewunderung fehlen, in eine depressive Verstimmung sinkt. Menschen in hoch konsumorientierten Gesellschaften entwickeln seiner Meinung nach eine typische Störung, die nicht vergleichbar mit den Hemmungen, Neurosen (hin und her Gerissenheit) und inneren Kämpfen früherer Generationen. Statt sexueller Unterdrückung, Probleme mit Autoritäten und den damit einhergehenden Reifungsprozessen, wie Siegmund FREUD, der Vater der Psychoanalyse sie exemplarisch beschrieb, herrscht heute das Phänomen der narzisstischen Persönlichkeit vor. (Vgl. Der Spiegel, 11/2016)

 Die spezifischen Merkmale einer solchen Persönlichkeit sind nach meiner Auffassung Nützlichkeitsdenken und eindrucksmanipulierendes Verhalten. In ihrem Buch " Echtleben"(2011) weist Katja KULLMANN auf diesen Typus hin. Sie sagt: Wenn Menschen heute jemanden kennen lernen, lassen sie sich häufig von einem Nutzenkalkül leiten, also der Frage, was nützt mir dieser oder jener Kontakt? Fast achtzig Prozent sagen, dass sie rational abwägen, was ihnen bestimmte Kontakte bringen. Kaffeetrinken mit Computer-Beratern bringt zum Beispiel nichts, wenn man nicht selbst in der IT-Branche arbeitet. Auch eine Logopädin hat nichts davon, wenn sie ihre Zeit mit einem Stadtarchivaren vertändelt. Im Idealfall agiert der Einzelne als gut gelaunter "homo ludens", verfolgt dabei aber strategisch und zielbewusst seine wirtschaftlichen Interessen (Wohnungsmarkt, Partnerschaftsmarkt, Identitätsmarkt und alle andere Supermärkte). Im Grunde muss man mit den richtigen Leuten Affären haben, Geschäftskontakt und Akquise-Affären.

 Während eine einfache Büroangestellte sich kaum Mühe machen muss, ihre Normalo-Existenz zu verschleiern, regelmässig Ferien im Ausland zu verbringen, wird der akademisch gebildete Herr F., der sich als Teil einer avantgardistischen Elite begreift, nur einmal für ein paar Tage sich leisten können aus Berlin herauszukommen. Sie wohnt in einem hellen Neunzig-Jahre-Haus mit Fussbodenheizung, er in einer dunklen Altbau-Wohnung mit Nachtspeicheröfen. Die Büroangestellte hat einen zwar manisch-depressiven Freund, aber immerhin einen Partner. Herr F. war angeblich seit einem Jahrzehnt nicht mehr mit einer Frau gesehen worden. (S.104-105)

 Gottfried BENN (gest. 1956), einer der tiefgründigsten Gedicht-Schreiber der deutschen Literatur des 20 Jahrhunderts, kannte aus eigener Erfahrung, welcher Geist in einem Narzissten innewohnt. Im Jahre 1936 schreibt er in Anlehnung an NIETZSCHE seinem Freund W. Oelze: "Der Geist dient dem Leben, dem furchtbaren, grossen, wilden, gefährlichen Leben, der blonden Bestie, - aber der Geist denkt nicht daran..." Dann, in einer Phase intellektueller Einsamkeit, folgt der Text (Auszug): "Einsamer nie als im August... Wo alles sich durch Glück beweist u. tauscht den Blick u. tauscht die Ringe im Weingeruch, im Rausch der Dinge -, dienst Du dem Gegen-Glück, dem Geist." (5.September 1936)

Selbstinszenierung

 Zu einer weiteren Form des Narzissmus gehört die Selbstinszenierung. Die Anthropologin Wednesday MARTIN lebte jahrelang unter den Müttern der New Yorker Oberschicht (Bezirk Upper East Side) und hatte das Phänomen untersucht. Sie selber war ein Teil dieser Gesellschaft (ihr Mann ist Investmentbanker), in einem Interview mit dem SPIEGEL, sagt sie: "Wenn man sich, tagtäglich unter bestimmten Menschen bewegt, gewöhnt man sich nicht nur an ihre Eigenarten, man will auch irgendwann ihren Codes entsprechen. 'Going native' bezeichnet man dieses Phänomen der Feldforschung, wenn Forscher den objektiven Blick verlieren. Genau das ist bei mir passiert." (Zwischenbemerkung: Martin kaufte sich eine BIRKIN-BAG Kulthandtasche, die zwischen 9000 und 100 000 Dollar kostet und häufig nach Wartenlistenplatz zu haben ist.) Dann fügt sie noch hinzu: „Es geht hier um ein Statussymbol der Extraklasse. In einer Stadt wie New York, in der es immer um Privilegien und Erfolg geht, bedeutet eine solche Handtasche Prestige und soziale Aufladung. Auch für den Mann übrigens, der die Tasche häufig besorgt und dafür seine Beziehungen spielen lässt. Er demonstriert damit ebenfalls Macht und Geld“.

Und von den hier lebenden Müttern, sagt sie: Viele von ihnen sind reiche, hochgradig qualifizierte Frauen, die ihre früher gerühmten Karriereambitionen jetzt in die Perfektion ihres Körpers umleiten. "Ich glaube, es gibt ausser Hollywood kaum ein Umfeld, in dem die Ansprüche an weibliche Schönheit so rigoros und unerbittlich sind wie hier... Die Kehrseite des Ganzen ist aber eine ausserordentliche Ängstlichkeit. Der Druck, alles richtig zu machen, bringt manche an die Grenze der Belastbarkeit. Linderung verschaffen Alkohol, Pillen, Kurztrips mit Freundinnen im Privatflieger nach Las Vegas oder Paris, zwanghaftes Fitnesstraining oder Kleiderkaufen..." (Der Spiegel, 11/2016)

Wie erklärt sich diese materielle Grundeinstellung, die die Seele derart deformiert? Rüdiger SAFRANSKI (geb.1945), ehemaliger Mitherausgeber der Literaturzeitschrift "Berliner Hefte", sieht das Problem in den Verlust der Religion. Er sagt: "Religion als äussere Manifestation verliert an Bedeutung und wird in die Innenwelt verlagert, lebt dort eine Weile weiter als religiöse Moral, bis das Religiöse verschwindet und nur noch die Moral bleibt. Irgendwann verschwindet auch die Moral, und ist man beim Nihilismus. Die zeitgemässe Form des Nihilismus ist der Konsumismus. Auch wenn man keinen Gott mehr hat, kann man sich immer noch etwas kaufen." (NZZ, 18. November 2015)

Joseph RATZINGER, der emeritierte Papst BENEDIKT XVI. erklärt, warum weder ein tiefsinniger Intellektualismus noch Pragmatismus der modernen Zeit, dem christlichen  Glauben leicht beizukommen mag. Er sagt: Christlicher Glaube hat gar nicht bloss, wie man es meint, mit dem Ewigen zu tun, das als etwas ganz anderes völlig ausserhalb der menschlichen Welt und Zeit verbliebe. Vielmehr mit dem  Gott in  der Geschichte, indem   der Glaube die Kluft  von ewig und zeitlich, von sichtbar und unsichtbar überbrückt. Und zwar so, dass er uns Gott als einem Menschen, JESUS CHRISTUS, der zugleich das Ewige und Zeitliche ist, begegnen lässt. (1968, S.30-40)

Was nun?

Es gibt ein inneres Gesetz in uns, das hochgradig von einem Gefühl der Unruhe erfüllt ist. Es ist eine Art permanente Bewegung (Getriebenheit), das Beste aus unserem Leben zu machen. Thomas GEBAUER nennt das in der " Psychologie Heute" (11/2015) "Unternehmerisches Selbst". Auch der kürzlich  verstorbene Gehirnchirurg Paul KALANITHI , bestätigt das oben Gesagte. In seinem Buch "Bevor ich gehe", das alle Rekorde in den USA brach, schreibt er unter anderem: "...wie jeder Organismus, von der kleinsten Zelle bis zum Menschen, strebt danach, zu gedeihen und sein Bestes zu tun". (FOCUS, 5/2016)

Hier stellt sich für mich die Frage: Kann der Mensch gesund gedeihen, wenn dieses   Gesetz in ihm verworrene Formen annimmt, wie übertriebene Selbstliebe und die damit verbundenen Egointeressen? Wenn er die grossen Fragen,  "Wer bin ich?" "Warum bin ich auf der Welt ?" und "Wohin ich gehe"? ignoriert oder falsch beantwortet? - Nein, aus meiner Sicht, unmöglich. Aber wie soll er zum Glauben kommen? Hier kann uns ein Jünger JESU, der zunächst zweifelnde THOMAS (genannt Dydimus/ Zwilling) helfen.

Als die Jünger nach der Auferstehung Christi in einem Raum versammelt waren, war Thomas nicht dabei. Siehe hierzu das Evangelium nach Johannes (20,24-29): "Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich  nicht. Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder  versammelt, und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in die Mitte und sagte zu Thomas: Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig  sind, die  nicht sehen und doch glauben."

Liegt nicht hier der Schlüssel für ein gedeihendes Leben? Allerdings ist ein solches "Unternehmen" ohne Veränderungsbereitschaft nur schwer denkbar. Sie findet ihren höchsten Ausdruck, so sehe ich, in den Worten MARIENS, der Mutter Jesu: "Siehe ich bin eine Magd  des Herrn, mir geschehe nach Deinem Worte." (Ecce ancilla Domini, fiat mihi secundum  verbum tuum)


 

Die Suche nach einer verlorenen Zeit.

Der französische Schriftsteller Marcel PROUST (gest. 1922) hat einen Roman zum obigen Thema geschrieben, mit dem er weltberühmt wurde. "À la recherche du temps perdu".

Er reflektiert in diesem Werk über die Zeit nach, die unwiederbringlich und verloren geht, wenn man sie nicht in Erinnerung behält oder sie konserviert, beispielsweise in Kunstwerken. In langen Sätzen erinnert sich der Erzähler (Proust) an die eigene, als schön erlebte Kindheit, an schöne Landschaften, Begegnungen, Reiseeindrücke und ähnliches.

Auch heute, vor allem ältere Menschen, haben ein starkes Bedürfnis von ihren Erfahrungen aus einer "schönen Zeit" zu erzählen, die Zeit der "schönen Dinge" wieder zu beleben.

Was ist schön? Schön ist eine Eigenschaft, die man hat (Gesicht, Ausstrahlung, Eleganz, Stil, Noblesse usw.) oder ist e t w a s schön; eine Landschaft, Kunstwerk, Musik, Gedicht und ähnliches. Es handelt sich um subjektive Wertvorstellungen, die angenehme Gefühle wecken. Hier stellt sich immer wieder die Frage: Geht es beim Erlebnis des Schönen um etwas Absolutes (Unveränderliches) oder bloss um etwas Relatives, das heisst, um ein Produkt des modernen Zeitgeistes?

Schon der antike Philosoph SOKRATES (468-399 v.Chr.) ging dieser Frage nach. Er suchte nach dem allgemeinen Wesen des Schönen, das unabhängig davon, was die meisten Menschen für schön halten, existiert. Denn etwas, das objektiv betrachtet gar nicht schön ist, kann wohl subjektiv betrachtet schön erscheinen. Ich kannte zum Beispiel eine Person, die das Nilpferd für so schön hielt, dass sie immer wieder in den Zoo ging, um die Nilpferde beim Baden zu beobachten.

Ein Schüler von Sokrates (Hippias Major) wollte einmal wissen, was das Schöne sei. Sokrates antwortete: "Ein schönes Mädchen ist eine wirkliche Schönheit." Doch er gab sich mit diesem Beispiel nicht zufrieden. Hätte Hippias statt "schönes Mädchen" nicht genauso gut "schöne Stute" oder "schöne Kanne" sagen können? Hippias wurde klar, dass man nicht alles in gleicher Weise als schön (gr. kalós) bezeichnen kann - dass es eine Rangordnung des Schönen gibt. ( Vg. R. Reinhard, 2013)

Die Suche nach dem wirklich Schönen.

Bei PLATON (427-347 v. Chr.) erhält das Schöne eine besondere Bedeutung. Er sagt darüber im Dialog "Phaidros": "Wenn einer die Schönheit hier sieht und sich dabei an das Wahre erinnert, wird er mit Flügeln versehen, und so beflügelt sehnt er sich danach, sich hinauf zu schwingen. Das vermag er aber nicht. Darum blickt er wie ein Vogel nach oben..." Woher kommt diese Begeisterung? Davon, so Platon, dass er sich an das wahre Schöne erinnert (Gottheit), aus dem alles Schöne entspringt. Auch die Seele.

Es handelt sich nach EZECHIEL (497 v. Chr.) um ein von Gott eingepflanztes Urwissen, das zur Gotteserkenntnis befähigt. Das Streben nach Gotteserkenntnis hat aber mit WEISHEIT zu tun, weshalb sie zu den schönsten Dingen gehört.

Darum sagt AUGUSTIN (gest. 430 n. Chr.) in seiner "Bekenntnisse", die zur Perle der Weltliteratur gehört: "Du (Gott) hast uns zu dir hin geschaffen, und unser Herz ist unruhig, bis es ruhe in dir." (Hinzufügung in Klammern durch Referentin)

In diesem Sinne frage ich, ist es nicht besser die Gotteserkenntnis zu erstreben, als sich zu sehr mit vergangenen Zeiten zu beschäftigen, die uns eher im vergänglich Schönen festhalten?

 


 

Die Gewissheit des Glaubens versus Rausch der Wissenschaft.

 

In seinem zweiten Brief schreibt PETRUS, der Jünger JESU: "Denn wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Grösse." (2 Petr.1,12-16)

Bei solchen Ereignissen, waren nebst Petrus auch die Jünger Jacobus und Johannes dabei. Sie alle waren Fischer. Folgendes ist geschehen: "Als Jesus am Ufer des Sees Gennesaret stand, drängte sich das Volk um ihn und wollte das Wort Gottes hören. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in das Boot, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus. Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus auf den See! Dort werft euere Netze zum Fang aus! Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch wenn du sagst, werde ich die Netze auswerfen. Das taten sie, und sie fingen eine so grosse Menge Fische, dass ihre Netze zu reissen drohten... Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesu zu Füssen und sagte: Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder. Denn er und alle seine Begleiter waren erstaunt und erschrocken, weil sie so viele Fische gefangen haben." (Luk. 5,1-10)

Was ging in Petrus vor, als er sagte, "Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder"? Petrus hat durch dieses Wunder die Andersartigkeit (Heiligkeit) und Macht Jesu erkannt, und erschrak darüber. Er vernahm den Einbruch des Göttlichen in seine Existenz und verspürte gleichzeitig seine eigene Ohnmacht und Unvollkommenheit. Es handelt sich um eine aus der Aktualität geborene tiefe Gotteserkenntnis, zu deren Erhabenheit nichts weiter hinzugefügt werden muss.

Was ist "heilig"?

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Im 2. und 3. Jahrzehnt entwickelte sich eine religionswissenschaftliche Diskussion um den Begriff des "Heiligen". Sie wurde vornehmlich unter dem Einfluss von Rudolf OTTO (1869-1937) entwickelt. Otto bemühte sich die Unantastbarkeit der religiösen Sphäre und ihre Andersartigkeit gegenüber den Alltäglichkeiten herauszustellen. Bei Elementen des Heiligen ("numinos") handelt es sich um Momente des Übermächtigen ("majestas"), des Schauervollen ("tremendum"), des Energischen und um den Moment des Mysteriums, das heisst, das "Ganz Andere".

Das "Ganz Andere" kann überall, unerwartet, jederzeit und bei allen Menschen eintreten. Auch als MUTMACHER in einer schwierigen Situation. Siehe hierzu eine SPIEGEL-Dokumentation nach C. Relotius: Es war der letzte Gottesdienst des Jahres in Fayetteville (Stadt North Carolina).

Der Pastor Larry WRIGTH (57) sprach vor seiner Gemeinde über Liebe, Barmherzigkeit und darüber, wie viele Menschen durch sinnlose Gewalt ums Leben kämen. Er erinnerte gerade an jene neun Christen im Nachbarstaat South Carolina, die im vergangenen Sommer getötet worden waren. Da sah er, wie durch die Kirchentür ein bewaffneter Mann über die Schwelle trat. L. Wright hatte den Mann, der wie ein Einbrecher in seine Kirche kam, nie zuvor gesehen. In seiner linken Hand hielt er ein Magazin mit Munition, in der rechten ein halbautomatisches Gewehr. Der Fremde kam ihm langsam entgegen, er lief an den Gebetsbänken vorbei, dem Altar entgegen. In der Kirche brach eine Panik aus. Die meisten sprangen durch die Tür, andere versuchten zu fliehen. Nur Wright blieb stehen, Hände gefaltet und sah dem Fremden direkt ins Gesicht. In diesem Augenblick spürte er, dass ihn Gott prüfe. Mit ruhiger Stimme fragte er den bewaffneten Mann: "Kann ich dir helfen"? Da geschah das Wunder. Der Fremde, zitternd vor Anspannung, fiel auf die Knie, legte sein Gewehr auf die Seite und brach in Tränen aus. - Erst nach einer halben Stunde, als das neue Jahr angebrochen war und Wright den Fremden gesegnet hatte, nahm ihn die Polizei fest. (6/2016)

Eine Neuentdeckung in der Physik.

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(Nach einem Bericht in der NZZ v. 14.02.2016)

Es sind nur acht Zeichen: GW150914. Sie stehen für die erste von Menschen direkt nachgewiesene Gravitationswelle und für das Datum der Entdeckung. Das Phänomen wurde nahezu gleichzeitig von zwei Observatorien in den USA gemessen. Damit bestätigt sich eine Vorhersage von Albert EINSTEIN, der vor hundert Jahren die Theorie aufstellte (diese später aber infrage stellte), dass beschleunigte und abgebremste Massen im Universum Veränderungen im Raum erzeugen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit im Weltall ausbreiten.

Zur Erinnerung: GRAVITATION (von lateinisch gravitas für "Schwere"), auch Schwerkraft genannt, ist eine der Grundkräfte der Physik. Sie äussert sich in der gegenseitigen Anziehung von Massen. Die Kraft nimmt mit zunehmender Entfernung der Massen ab, besitzt aber eine unbegrenzte Reichweite. Auf der Erde bewirkt die Gravitation, dass alle Körper nach unten fallen, sofern sie nicht durch andere Kräfte daran gehindert werden. Im Sonnensystem bestimmt die Gravitation die Bahnen der Planeten, Monde, Satelliten und Kometen, und im Universum die Bildung von Sternen und Galaxien.

Bis jetzt galt der Nachweis von Gravitationswellen als unmöglich. Doch im September (2015), während eines Testlaufs detektierte Welle, entstand vor 1,3 Milliarden Jahren bei der Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern, die sich zunächst umkreisten und dann ineinander stürzten. Die Ausgangsmassen der Schwarzen Löcher konnten die Wissenschaftler anhand der Wellenform (Interferometer-Lasermethode) abschätzen. Innerhalb eines Sekundenbruchteils wurde dabei mehr Energie freigesetzt als von allen Sternen des Universums zusammen.

Warum wurde diese Forschung der amerikanischen National Science Foundation, die seit 1992 1,1 Billionen Dollar kostete und für ihre Entdecker weder einen wirtschaftlichen noch militärischen Nutzen haben wird, betrieben? Andreas HIRSTEIN: "Nur um der Erkenntnis willen, weil Menschen wissen wollten was die Welt in ihrem Innern zusammenhält".

So sagt zum Beispiel der Astrophysiker DANZMANN: "Ich bin jetzt 61 Jahre alt, und ich habe vor, 120 zu werden. Ich bin also voller Zuversicht, dass ich den Aufbruch ins nächste Kapitel Gravitationswellenphysik noch erleben werde..." (DER SPIEGEL, 7/2016)

Die Wissenschaftler suchen also nach dem, "was die Welt in ihrem Innern zusammenhält". Das kann aber nur d e r sein, der die Welt erschaffen und die Macht hat die physikalischen Gesetze zu sprengen. Und zwar so, indem er, als noch Finsternis über Erde und Himmel und über den zwei schwarzen Löchern lag, das lebendigmachtvolle Wort "Es werde Licht" sprach und es wurde Licht (GENESIS 1 1,1-4).

Wer zu dieser Einsicht gelangt, wie der Kernphysiker und Nobelpreisträger Werner HEISENBERG, der hat den Rausch der Wissenschaft durch Glauben aus Gewissheit überwunden. Der kann, wie ich schon in einem anderen Zusammenhang darauf hingewiesen habe, mit Heisenbergs Worten sagen: "Der erste Schluck aus dem Becher der Naturwissenschaften macht atheistisch - aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott." (2010)

 


 

Wem nützt Eigenwilligkeit?

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Eigenwilliges Denken und Handeln gibt es in allen Bereichen des Lebens. In der Politik, Kunst, Forschung, Erziehung, Sport usw. Es handelt sich um ein hartnäckiges Bestehen auf sich selbst, auf die eigenen Grundsätze (Prinzipien), ohne genügend auf Gegengründe oder andere sinnvolle Möglichkeiten zu achten.

Der Eigenwillige hält sein eigenes Weltbild für die Realität. Sein Verhalten erinnert an die Trotzphase des Kindes- und des Jugendalters, deren Hauptziel die Selbstbehauptung ist.

Eigenwillige Menschen fühlen sich oft gestresst, weil ihnen an innerer Distanz zu sich selbst (Gelassenheit) fehlt. Nicht selten werden sie auch von Selbstzweifel, von Neid und Eifersucht geplagt und müssen sich immer wieder versichern, wie "fehlerhaft" die anderen sind. Wenn es ihnen gelingt jemanden zu infizieren, fühlt sich der "Infizierte" unwohl.

Eigenwilligkeit kann auch originelle Ideen hervorbringen, etwa auf künstlerischer oder sportlicher Ebene. Wer kennt nicht zum Beispiel die impressionistischen Bilder von Vincent van GOOGH (1853-1890) oder die eigenwillige Kunst der "Dadaisten" (vor hundert Jahren in der Zürcher Altstadt im Cabaret Voltaire gegründet), die sich über grosse Kunstwerke, wie Leonardos "Mona Lisa" lustig machten? (TZ, 3.02.2016)

Oder im Bereich des Sportes. Alex FREI (36), der Sportleiter des Juniorteams FC Basel erklärt in einem Interview, was ihn inspiriert: "Ich fördere auch die Eigenwilligen". (31.01.2016) Er selber aber musste aus gesundheitlichen Gründen zurückschrauben, weil ihm die Machtspiele stark zugesetzt haben. Jetzt arbeitet er nur im 50 Prozent Pensum.

Führt ein eigenwilliges Denken nicht schlussendlich zu Ego-Erschöpfung, "ego-depletion", nach der die Willenskraft ähnlich wie ein Dauerlauf am Organismus zehrt? (Der Begriff wurde an der Florida State University geprägt) Der Wille erschöpft sich mit der Zeit und muss immer wieder neu aufgeladen werden. - Aber wie kann er neu aufgeladen werden, wenn er bei seinem eigenen Weltbild stehen bleibt und andere ausklammert? So auch bei religiöser Einstellung.

Ein Beispiel: Nach dem Tod von Christina WOLF, Günter GRASS und Siegfried LENZ ist Martin WALSER (88) der letzte noch lebende Grossschriftsteller der deutschen Literatur. In einem Interview mit dem FOCUS (5/2016) sagt er: "Beim Schreiben will ich eine Erträglichkeit produzieren in einer Welt, über deren Unerträglichkeit ich keine Auskunft geben kann, als dass ich schreibend eine Erträgliche dagegen setzte." Und weiter: "Die Unerträglichkeit des Todes produziert in uns die Fantasie, dass noch etwas sei nach dem Tod... Wir würden das Leben nicht aushalten ohne Illusion".

Hinweis: Hier muss man erwähnen, dass die Literatur seit mindestens hundert bis zweihundert Jahren sich nicht oder nur in Ausnahmefällen der Unsterblichkeit widmet. Hier sehe ich einen Grund dafür, warum sich viele Autoren, unter ihnen auch Nobelpreisträger (wie z.B. E. Jelinek), nicht nach tieferer Gotteserkenntnis bemühen.

Während für WALSER das Schwere und Elende in die "Katastrophe" des Todes mündet, entdeckt der französische Mathematiker und Philosoph Blase PASCAL (gest.1662) gerade im Elend die Grösse des Menschen. Sie besteht darin, dass der Mensch imstande ist, um sein Elend zu wissen. In seinem bedeutenden Beitrag zur Geschichte des Geistes ("Pensées"), sagt er: "Ein Baum erkennt sich nicht als elend. Das heisst also elend sein: sich als elend zu erkennen aber heisst gross sein, weil man sein Elend erkannt hat".

Ursprünglich wollte Pascal die naturwissenschaftliche Bahn einschlagen. Doch ein religiöses Erlebnis brachte ihn auf eine andere. Man erfuhr erst nach seinem Tode davon, als man einen Zettel, eingenäht in sein Mantel, gefunden hat. Darauf stand unter anderem: "Feuer, Gewissheit, Empfindung, Freude, Friede... Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jacobs, nicht der Philosophen und Gelehrten".

Nach dieser GEWISSHEIT suchte auch René Descartes (1596-1650), der Schöpfer der bekannten philosophischen Formel "Ich denke, also bin ich" (cogito ergo sum). DESCARTES ging bei seinem Nachdenken über die Existenz Gottes, so vor: Der Mensch findet in seinem Innern die Idee eines höchst vollkommenen Wesens vor. Diese Idee kann nicht aus dem Menschen selber stammen; denn es ist ausgeschlossen, dass das unvollkommene Wesen "Mensch", die Idee des höchst vollkommenen Wesens aus sich selbst hervorbringen kann.

Woher kommt also dem Menschen diese Idee? Descartes antwortet: Sie kann nur durch das höchst vollkommene Wesen selber eingepflanzt sein. Dieses allein kann der Urheber der Idee des Vollkommenen sein. Das aber besagt: Gott als der Ursprung der Idee seines selbst (in der Bibel heisst das "Abbild") muss notwendig existieren. (Hinzufügung in Klammern durch die Referentin) (Vgl. W. Weischedel, 1987)

Nun das hier Gesagte wurde für Pascal ein gefühltes Wahrheitserlebnis. Er beschreibt es so: Gott bleibt "der verborgene Gott" (deus absconditus), offenbar in Jesus Christus. Darum ist der Glaube ein Wagnis, das freilich seine besondere Art von Gewissheit mit sich führt. Nicht der Verstand, sondern das Herz fühlt diese Gewissheit. "Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt".

 

 

Neuaufladung des Willens durch "Vaterunser".

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Der international bekannte Sozialpsychologe Roy BAUMEISTER (geb. 1953), sagt: Die Willenskraft hat die Fähigkeit zu wachsen, sie lässt sich sogar wie ein Muskel trainieren. Man muss nur seine Aufmerksamkeit auf ein höheres Ziel richten.

Ich frage mich: Lässt sich ein solches "Willenstraining" auch auf einen verhärteten Eigensinn anwenden? Ja, ich denke schon. Man müsste nur auf d e n schauen, der uns ein Gebet hinterlassen hat, mit dem man das Schädliche am Willen ablegen kann. Wenn man gläubig so betet: "Vaterunser... Dein Wille geschehe..."


 

Werden die Letzten die Ersten sein?

Der Literaturwissenschaftler Peter Küng (geb. 1975) geht in seiner Dissertation (2015) den Spuren der Gewalt in der Literatur des Bürgerlichen Realismus auf den Grund. In den Novellen dreier Dichter (T. Storm, T. Fontane und P. Heyse) analysiert er die Ursachen und Abgründe der Schattenseite der menschlichen Seele und zeigt ihre zerstörerische Wirkung auf.

Nun neben dem Zerstörerischen, gibt es auch eine schöne Seite in der Seele, die nach Entfaltung drängt und vom Guten durchformt werden möchte. Ein französischer Philosoph ging ebenfalls auf Spurensuche.

Alexandre Lacroix (geb. 1974) sprach mit G. Cadusi (Name geändert), der seit 23 Jahren als Kopf eines Rachefeldzuges gegen eine kriminelle Organisation hinter Gittern sitzt. Da er eine Kronzeugenregel ablehnte, wird er das Gefängnis nie verlassen. Im Laufe des Prozesses hat er sich zu allem ihm vorgeworfenen Verbrechen (Morde) schuldig bekannt.

Doch Cadusi ist kein gewöhnlicher Strafgefangener. Im Verlauf der Haft entdeckte er die Philosophie für sich, begann ein Studium und schloss es ab. Allerdings hat er nie ein Gymnasium und noch weniger eine Universität besucht. Als er ins Gefängnis kam, verstand er nur Italienisch und sprach selbst Sizilianisch. Als ihm im 2006 eine Möglichkeit angeboten wurde zu studieren, stürzte er sich leidenschaftlich auf die Bücher.

Cadusi kam aus einer sehr armen Familie, schon im Alter von 15 gehen mehrere Diebstähle und bewaffnete Überfälle auf sein Konto. Sein Vater war verzweifelt und versuchte ihn aus dem kriminellen Milieu herauszuziehen. Ohne Erfolg. Mit 16 kam er nach Hamburg. Dort merkte er, dass er eine spezifische Gabe besitzt: die Fingerfähigkeiten eines Taschenspielers, was ihn beim Pokern unbesiegbar machte. Dank dieser Geschicklichkeit, so Lacroix, begleitet von psychologischem Gespür, um seine zukünftigen Opfer einzuschätzen, gewinnt Giuseppe beträchtliche Geldmengen. Er ist in der Lage, sich betrunken zu stellen, um das Misstrauen seiner Mitspieler zu zerstreuen. Er kann auch mehrere Abende in Folge verlieren, bevor er sein Opfer endgültig übers Ohr haut.

Am Rande der Casinos und privaten Spielhallen entdeckt Giuseppe den Alkohol, Kokain und die Prostitution. Er verzockt seine D-Mark. Die Callgirls verhätscheln ihn, werden zu seinen Busenfreundinnen.

Doch im Jahre 1986 nahm Cadusis Leben eine Wende. Als er zum Besuch in seiner  Geburtsstadt weilte, kamen plötzlich Killer mit roten Kapuzen, sie töteten seinen Grossvater, Onkel, seine Cousins, er selber entkam nur knapp dem Blutbad.

Im Interview mit Lacroix, sagt er: "Ich wusste nicht, um was es sich handelt. Ich war selbst ein Kleinkrimineller, ein professioneller  Falschspieler, aber mit dieser kriminellen Organisation hatte ich keinen Kontakt. Mein Onkel und mein Vater waren mit ihr konfrontiert. Meine Familie hatte versucht sich wider zu setzen. Darum das Massaker."

Danach stand Cadusi vor einem moralischen Dilemma. Nach Deutschland zurückkehren, diese Tragödie vergessen oder seine Familie zu rächen? Er entschied sich für Letzteres.

Lacroix: "Für wie viele Morde wurden Sie offiziell verurteilt?"

Cadusi: " Für viele, bitte zwingen Sie mich nicht es auszusprechen. Ich schäme mich dafür."

Wie denkt heute Cadusi über seine Vergangenheit? Er sagt, dass das "Dunkle" und "Faule", womit sein Kopf bisher vollgestopft war, gewaschen ist. Casudi: Nun, auch ich glaube, dass die menschliche Natur zwei Seiten hat: Eine bestienhafte, die irrational und instinktiv, von egoistischen Gefühlen angetrieben wird und bereit ist, sich auf Kosten anderer ihre Bedürfnisse zu befriedigen, und die andere, die "nach dem Guten strebt und in Gefühlen der Fürsorge, Liebe und Aufmerksamkeit" ihre Erfüllung sucht.

 Er (Cadusi), hat sich für das Gute entschieden, hier will er sein Leben neu gestalten und Fortschritte machen. Alles andere schliesst er dezidiert aus. (Philosophische Magazin Nr. 6/2015)

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Gesinnungswandlung eines der grossen Atheisten unserer Zeit, des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq (geb. 1956). Sie drückt sich in seiner Sehnsucht nach katholischem Glauben aus. In einem Interview zu seinem neuen Roman "Unterwerfung", sagt er: "Wissen Sie, ich bin zu alt, um jetzt zu konvertieren. Ich behelfe mir mit einer Art Nostalgie". (Phil. Magazin Okt./Nov. 2015)

Aber warum ist es so, dass manche Schwerverbrecher und Ungläubige durch ihre Sehnsucht nach Gott zu finden, den guten Wesensteil ihrer Seele entdecken und sich dann ernsthaft bemühen, dass Dunkle und Faule abzulegen?

Ich sehe es so: Sie lassen sich von der Gnade Gottes berühren, die sie befähigt, seine Gebote zu verstehen und zu befolgen. Demzufolge ist Gnade diejenige Güte und daraus folgende Gabe Gottes, mit der er, den zum Bösen neigenden Menschen liebt und ihm den Weg zum Seelenheil eröffnet. (Vgl. hierzu R. Guardini, Freiheit, Gnade, Schicksal, 1948)

Auch der meistgelesene Theologe und Seelenkenner des 18. Jahrhunderts J.P. Caussade (1675 bis ca. 1750), hat eine solche Erfahrung gemacht. Er schreibt: "Mein Gott, lass mich dies oder jenes Gute tun, dies oder jenes Übel meiden. Zu sehr empfinde ich meine Schwäche. Und meine früheren Erfahrungen bürgen mir dafür, dass nichts geschieht, wenn nicht du durch die Kraft deiner Gnade in mir handelst."

Und wie ist das bei Kirchenvorstehern, die zwar Kenntnis über die Gnade haben, jedoch keine oder nur wenig Gebrauch davon machen? Die heilige Katharina von Siena (1347-1380) war bestens darüber informiert. In einem ihrer sogenannten "politischen Briefen" tadelt sie den Bischof von Florenz, Angelo Ricasoli, im Jahre 1375: (Auszug aus dem Originaltext)

"Sie werden meine Kühnheit verzeihen und sie meiner Sehnsucht nach der Erlösung aller Geschöpfe und dem Interesse für Sie, den Vater so vieler Seelen, zugute halten. In aller Milde bitte ich Sie, vom Schlaf der Lauheit aufzustehen. Lernen Sie vom göttlichen Meister, wie er sein Leben für seine Schafe hingegeben hat. Seine Schafe hören auf seine Stimme. Das sind die, die seine Gebote halten. Vielleicht fällt da das Bedenken: 'Ich bin unfähig zu solcher Vollkommenheit, ich fühle mich so schwach, gebrechlich und unvollkommen! Die Versuchung des Bösen Feindes, die Schwachheit meines Fleisches, die Lockungen und Verführungen der Welt haben mich gelähmt. Es ist wahr, ehrwürdiger Vater: wer ihnen folgt, wird schwach, ängstlich und furchtsam in knechtischer Furcht.'  Diese Furcht wird allgemach übermächtig in einem solchen Menschen. Er sorgt sich nur mehr darum, wie er den Menschen nicht missfalle, wie er Stellung und Macht behaupten könne. Nicht aber darum, ob sein Schöpfer beleidigt wird oder nicht."

Man merkt's: Hier geht es um die wahre Selbsterkenntnis, eine Voraussetzung für die Wirkung der Gnade. Doch, so P. Ott (1940), man darf nicht meinen, dass Selbsterkenntnis etwas Leichtes sei, nämlich, dass sobald man den Wunsch danach hegt - alle Fehler ohne weiteres offenbar werden. Immer wieder soll man auch beten: "Von meinen Verborgenen Fehlern reinige mich". (Ab occultis meis munda me.)

 Nun die Frage: Könnten die Letzten zum Ersten werden?

Ja! Einen Hinweis darauf fand ich im Korinth (1,2), wo PAULUS sagt: "Seht auf euere Berufung. Wie ging es denn damals zu, als sich euere Gemeinde bildete? Das war doch ein erbärmlicher Haufen: ungebildete, wirtschaftlich schwache Leute, wohl auch asoziale Elemente fanden sich zusammen. Mit diesem Vorgehen verfolgt Gott ein bestimmtes Ziel: der Mensch soll seine Armut begreifen und vor Gott als der Empfangene stehen."

Ich bin überzeugt, dass ein solches Begreifen zu der Stufe des einen ewigen Wort Gottes (JESUS) hinführt, "in dem die ganze Fülle der Gottheit wohnt". (In quo est omnis plentitudo divinitatis)

 


 

Wenn eine Berufung ihr Ziel verfehlt.

Eine der stärksten Triebfeder menschlicher Selbstbehauptung ist der Drang nach ANERKENNUNG. Meistens setzt man sich dann anspruchsvolle Ziele, zum Beispiel auf intellektueller, künstlicher, sportlicher oder sonstiger Ebene. Für die Realisierung dieser Ziele schreckt man weder vor psychischen noch körperlichen Belastungen zurück, auch Risiken werden in Kauf genommen. Oder man macht es wie Wolfram Ellenberger, Chefredakteur des Philosophischen Magazins. Er sagt: "Niemand hat mich gezwungen. Nein, dieses Ziel habe ich mir ganz allein gesetzt. 1000 Meter sollen es heute sein, also 20 Bahnen. Und keine weniger! Ich brauche solche fixe Vorgaben, sonst springe ich gar nicht erst rein ins Becken."

Nun, der vor hundert Jahren verstorbene, als ehrgeizig und mitunter leichtsinnig gegoltene Kapitän des legendären britischen Forschungsschiffes "ENDURANCE" Ernest SHACKELTON, nahm sich auch eine fixe Vorgabe vor. Im Jahre 1914, als das "heroische Zeitalter" der Antarktisforschung noch nicht beendet war, entschloss sich Shackleton die Antarktis durchzuqueren. Zu diesem Zeitpunkt hatte noch niemand das Festland durchquert. Er startete mit einem Dreimaster und zusätzlichen Dampfbetrieb. Zehn Wissenschaftler waren dabei, und 17 Seeleute, ausgerüstet mit Hundeschlitten, Wollschafsäcken und Gewehren. Sie wollten den 2900 Kilometer breiten Kontinent Antarktika erobern, auf dem bis zu 4500 Meter hohe Gletscher ragen. Mit 300 Kilometern pro Stunde rasen dort die Sturmwinde über Polar-Plateaus. Orkane wüteten, als die "Endurance" das südliche Eismeer erreicht hat.

Kurz vor dem Ziel schnappte aber die Eisfalle zu. Am 19. Januar 1915 fror das britische Forschungsschiff fest: knapp 100 Kilometer vor dem antarktischen Festland, nach mehr als 20 000 Kilometer Seereise.

Die Expedition scheiterte. Erneut ist es Shackleton nicht geglückt, eine Pionierleistung zu vollbringen Das eigentliche Ziel seiner Expedition - die Durchquerung der Antarktis - hat er nicht erreicht. Trotzdem kehrte er als Held im Mai 1917, nach 635 Tagen im Eis nach London zurück. Denn "durch Mut, Entscheidungsstärke und Durchhaltewillen hat er seine gesamte Mannschaft gerettet." (vgl. NZZ/Ressort Wissen, Geschichte, 27.12.2015).

Wie ging es mit Shackleton weiter?

Im Jahre 2000 haben der Extremsegler Arved FUCHS und sein Team (insgesamt drei Männer und eine Frau) eine der grössten Herausforderungen der Gegenwart erlebt. Sie haben in einem sieben Meter langen und zwei Meter breiten Boot auf den Spuren von E. Shackleton das härteste Meer in den Antarktis bezwungen - mit dem Ziel, anschliessend ihre Erlebnisse in Buchform zu veröffentlichen. Haben sie auf ihrer Expedition, wie auch Shakleton, über ihren Lebenssinn nachgedacht?

Ja, das haben sie getan. In einer Ruhepause nach grosser Anstrengungen, haben sie über ihre Berufung ("höheres Ziel") nachreflektiert. Der Teamleiter Arved Fuchs berichtet in seinem Buch: "Wir sprachen auch darüber, dass es viele Menschen geben wird, die den Sinn und Zweck dieser Reise nicht verstehen werden. Die berühmte Frage: 'Wem nützt denn das eigentlich?' wurde uns schon bisher immer wieder gestellt - sicherlich wird sie auch nach dieser Reise nicht ausbleiben, als ob die Legitimation zu einer solcher Reise in einem "höheren Ziel" begründet liegen müsse... Es nützt uns! Es ist nach unserem Massgaben ein Stückchen sinnvolle Lebensgestaltung, frei nach Fridtjof Nansen, der einmal gesagt hat: 'Das Leben hat keinen Sinn. Es gibt in der Natur nichts, was man 'Sinn' nennen könnte. 'Sinn' ist eine menschliche Vorstellung ..." ( " Im Schatten des Pols. Auf Shackletons Spuren im härtesten Meer der Welt", 2014, S.195).

Und wie ging es mit Shackleton weiter? Im gleichen Buch erfahren wir: "Zurück in England verlor Shackleton zunehmend den Boden unter den Füssen. Er soll massiv geraucht und getrunken haben, er wurde übergewichtig, sein unverwüstliches Naturell begann zu bröckeln, und er wurde fortwährend von Erkältungskrankheiten und Infektionen geplagt. Auch privat geriet vieles aus dem Fugen. Bei seiner Frau Emyli war er nur selten, dafür verbrachte er umso mehr Zeit mit anderen Frauen..." (S.208)

Nun stellt sich für mich die Frage: Gibt es eine Berufung, die nicht in Kategorien der Selbstbehauptung, Sieg, Niederlage, Karriere, Genuss und ähnlichem denkt, sondern die Ehre dessen sucht, von dem alle guten Gaben kommen?

Ja, es gibt sie. Der Völkerapostel PAULUS schreibt: "Auch über die Gaben des Geistes möchte ich euch nicht in Unkenntnis lassen... Es gibt verschiedene Gaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn (Jesus Christus). Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt." (1 Korinther, 12,1-11)

Und wie ist es bei Priestern, die Mühe haben ihre Berufung zu leben? Dazu sagt der US-Kardinal Raymond BURKE in einem Interview: "Wir sind gerufen, unseren katholischen Glauben heroisch zu leben. Auch der schwächteste Mensch empfängt die Gnade von Christus, die Wahrheit in Liebe zu leben." (5.01.2016)

In diesem Sinne möchte ich den Priestern Mut machen, ihre wunderbare Berufung mit Freude zu leben.

 


 

Das Leiden in Gebet verwandeln. Wie geht das?

Im Jahre 2012 bekam ein junges Ehepaar, sie 26, Hausfrau, er 31, Informatiker, im Universitätspital Frankfurt am Main, die Diagnose ihres noch ungeborenes Kindes.

Es wird mit zwei Behinderungen geboren werden, die eine endet tödlich, die so genannte Spina bifida, die andere ist zwar behandelbar, führt aber zur Querschnittslähmung.

Bei der Spina bifida handelt es sich um eine freie Trisomie 18 und das ist so zu verstehen: Der Mensch trägt in jeder Zelle 23 Chromosomenpaare, 46 einzelne Chromosom insgesamt. Sie enthalten den Bauplan des Menschen, die GENE.

Bei der TRISOMIE 18 liegt das Chromosom dreifach vor. Ein Fehler im Baumplan. Die Konsequenzen sind unberechenbar. Es gibt Kinder, die mit einem defekten Herzen, defekter Speiseröhre oder fehlgebildeter Niere zur Welt kommen.

Nichts ist sicher, ausser: Alle sterben daran, meist innerhalb der ersten Tage.

Nach einem Arztgespräch in der 22 Schwangerschaftswoche, so heute Sandra NOVAK (Name geändert), "hatte ich das Gefühl ein Monster im Bauch zu haben". Das Schlimmste sei es gewesen, so Novak, dass nur über die schlechten Dinge gesprochen wurde. Die Novaks zitieren die Arzte: "Das Kind wird direkt bei der Geburt versterben, und wenn es das nicht tut, dann hat es jedenfalls nur kurz zu leben." Sie können noch diese Woche eine Spätabtreibung durchführen, man würde das Kind im Mutterleib töten, danach müsse Sandra Novak es gebären.

Das Ehepaar Novak trifft trotzdem die Entscheidung, sie wollen das Kind bekommen. Am 3. Mai 2013 notierte das Ehepaar das Schicksal seiner ungeborenen Tochter Elena: "Für die Geburt unserer Tochter Elena Novak halten wir folgende Dinge schriftlich fest: Unsere Tochter leidet unter einer freien Trisomie 18. Der Krankheitsverlauf und die damit verbundene Prognose sind uns bekannt. Wir wünschen eine natürliche Geburt. Sollte unsere Tochter direkt im Anschluss mit der Atmung Schwierigkeiten haben, wünschen wir eine einmalige Reanimation.

Sollte sich herausstellen, dass unsere Tochter trotz erster Hilfe nicht in der Lage sein wird, selbstständig zu atmen, werden wir von weiteren lebenserhaltenden Massnahmen absehen... Ich, Sandra Novak, wünsche keine Schmerzmittel, die sich auf mein Bewusstsein auswirken könnten... Wir wünschen, dass unsere Tochter getauft wird, ...Wir möchten darauf hinweisen, dass jede Minute mit unserer Tochter ein Geschenk für uns sein wird." (Auszug)

Am 4.Juni 2013 kam Elena Novak zur Welt. Die Hebamme, so die Eltern heute, hätte sich wochenlang emotional auf die Geburt vorbereitet. Darauf, dass Elena tot sein würde, die Eltern zusammenbrechen könnten, und dass das Kind in ihren Armen stirbt. Aber nicht darauf, dass das Kind 2650 Gramm schwer, 52 Zentimeter lang und süss sein würde. Es ist zwar querschnittsgelähmt, hat auch eine geistige Behinderung, aber es lebt zur Freude seiner Eltern. (Vgl. DER SPIEGEL 2/2016)

Ohne Zweifel. Das Ehepaar Novak hat eine GEWISSENSENTSCHEIDUNG getroffen, die mit ihrer religiösen Gesinnung, dass ihr Schicksal mit Gottes Zulassung geschieht, übereinstimmt.

Ein solcher Wagnis stellt nach Jean-Paul de Caussade (1675-1750), einer der bedeutendsten Theologen und Seelenkenner des hohen Mittelalters, ein "inneres Martyrium" dar, das ohne ein intensives Gebetsleben nicht durchzuleiden ist.

Peter OTT (1940), ein ebenfalls erfahrener Seelenführer seiner Zeit, fragt in diesem Zusammenhang: "Dürfen wir das Unbegreifliche, so eindeutig UNWERTIGE noch als Ausfluss der Liebe Gottes auffassen?" Sodann gibt er sich die Antwort: "Gewiss dürfen wir diese Dinge nicht als Niederschlag des Willen Gottes auffassen, wie alles Traurige. Es ist nur ein von Gott ZUGELASSENES. Die Tatsache, dass Gott es zugelassen hat, darf uns nie an dem inhaltlichen Unwert des Zugelassenen irre machen... sondern versuchen in ihm einen verborgenen Sinn und Wert zu erkennen"

Auch darf man nicht, so OTT, beanspruchen in die Geheimnisse Gottes (wie die Esoteriker es tun) einzudringen, "unser Glaube an den Sinn und Wert aller Zulassungen muss unerschütterlich bleiben, auch wenn wir ausrufen möchten: 'Exsurge, quare obdormis, Domine!' (Wach auf, warum schläfst du, o Herr! /Ps 43,23)"

Dass man an traumatisierenden Ereignissen auch wachsen kann und dass diese die Widerstandsfähigkeit fördern können, bestätigt die so genannte Resilienzforschung. RESILIENZ ist die Fachbezeichnung für psychische Widerstandsfähigkeit, der Begriff stammt aus der Physik und meint elastische Stoffe, die unter äusserem Druck nicht zerbrechen. Nach einer Deformierung nehmen sie ihre alte Form wieder auf.

Auch die NOVAKS haben das so erlebt. Ihr "Resilienz" bauten sie auf Gottvertrauen auf, im wortwörtlichen Sinn des GENESIS (22,8), "Deus providebit" das heisst, "Gott wird sorgen".

Die aktuelle Situation der Novaks

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(Nach SPIEGEL-BERICHT, 2/2016)

Im Sommer 2015 sitzt die Familie während einer Kontrolluntersuchung vor den Neurochirurgen, die vor zwei Jahren Elena operiert und ihr das Leben gerettet haben. Neben den Novaks steht ein Zwillingskinderwagen. Vor wenigen Wochen ist Elena eine grosse Schwester geworden. Von einem gesunden Mädchen, namens Juliana. Die Eltern hatten alle vorgeburtlichen Untersuchungen ausser Ultraschall abgelehnt. Dann sagten sie, sie sind glücklich und hätten nur noch den Wunsch, dass sich die neugeborene Juliana später einmal an ihre grössere Schwester erinnern kann - von selbst. Nicht von Erzählungen. Die Ärzte sagten, "das könnte zu schaffen sein."

Ich sehe es so: Hier hat sich wahrlich das verwirklicht, was man im Johannes-Evangelium (16,20) nachlesen kann: "Doch eure Trauer wird sich in Freude verwandeln." ( Sed tristitia vestra vertetur in gaudium)

 


 

Katholizismus

Was ist schwieriger? Sich an die Lehre der Kirche anzupassen oder an den Zeitgeist?

Nach der Lehre des katholischen Glaubens ist die Kirche der Leib Christi (das "fleischgewordene Wort Gottes"), gegründet auf dem Grundstein Simon PETRUS, dem ersten Jünger JESU. So spricht Jesus im Johannes-Evangelium: "Du bist Simon, der Sohn des Johannes, du sollst Kephas heissen. Kephas bedeutet: Fels (Petrus)". (1,35-42) Und im Matthäus-Evangelium: "Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen."(16,18)

Darum sagt auch Kardinal G.L. MUELLER, Vorsteher der Glaubensgemeinschaft (Kongregation) in einem Interview mit der "DIE ZEIT": "Kirche ist das Haus und Volk Gottes, ist Christi Leib ...In Wahrheitsfragen gibt es keinen Kompromiss. Denn wir sind nicht die Verhandlungspartner Gottes, sondern Hörer seines Wortes." (1/2016)

In diesem Sinne ist die Kirche Trägerin und Verwalterin der Wahrheit über Gott.

Was ist WAHRHEIT?, fragte schon Pontius PILATUS, römischer Statthalter von Judäa während der Regierungszeit von Kaiser TIBERIUS (gest. 37 n.Chr) , der Jesus zum Tode verurteilte.

Wahrheit (lateinisch veritas) bedeutet im Alltag die Übereinstimmung einer Aussage mit dem von ihr gemeinten Sachverhalt. Wenn ich zum Beispiel sage, "Ich habe dieses Formular ehrlich ausgefüllt", ist mein Denken identisch mit meinem Handeln. Nun das ist nur e i n e Wahrheit unter vielen. So gibt es zahlreiche Alltagswahrheiten auch auf der emotionaler Ebene, Erlebnisebene, beruflicher Ebene usw.

Der Berufsfischer Simon Petrus kannte auch viele Alltagswahrheiten, doch erst die Begegnung mit Jesus öffnete ihm die Augen für eine höhere Wahrheit, die er in dieser Form noch nicht kannte. Ergriffen durch die Worte, Taten, Sterben und Auferstehung Jesu, begann er alle Dinge in "conspectu Dei" "vor dem Angesicht Gottes" zu begreifen. Er liess sich durch das "lumen Christi" (Licht der Wahrheit) umgestalten, weil er Zeuge der Weisheit und Allmacht Gottes wurde, die fähig ist auch Tote zu erwecken. (Siehe hierzu "Die Auferstehung des Lazarus" nach Johannes-Evangelium, 11,17-44).

Das Gegenteil einer solchen Umgestaltung wäre die Anpassung an den ZEITGEIST, der viele moralisch verbindlichen Werte und biblische Gebote zugunsten des freien Empfindens des Einzelnen oder einer bestimmten Gruppe ablehnt. Nach Johannes Hoffmeister führt ein solcher Prozess zur sittlichen Auflösungserscheinung". (Vgl. Phil. Bibliothek , Bd.225,1955) Mit anderen Worten: Zum NIHILISMUS (vom lat. nihil "nichts").

Ein Vertreter dieses Gedankengutes war der moderne Vordenker seines Zeitalters, Friedrich NIETZSCHE (1844-1900). Bis zu seiner Erkrankung an der Geschlechtskrankheit Syphilis, dozierte er an der Basler Universität. Sein Denken war, wie er sagt, eng mit seinem Leben verbunden: "Ich habe meine Schriften jederzeit mit meinem ganzen Leib und Leben geschrieben... Ich bin immer am Abgrund."

Nietzsche glaubte weder an Gott noch an die moralische Kraft der Heiligen Schrift, sondern an die schöpferische Kraft des menschlichen Geistes, der sich zum "Übermenschen" mutieren kann. Doch auch das führt zum Nihilismus. So schreibt er: "Was ich erzähle, ist die Geschichte der nächsten zwei Jahrhunderte. Ich beschreibe, was kommt, was nicht mehr anders kommen kann: die Heraufkunft des Nihilismus... Wohin aber führt der Weg des Menschen?" Nietzsche antwortet: "Auf etwas zu, das mehr ist als der Mensch, aber nicht zu einem Gott, sondern zum 'Übermenschen". (Vgl. W. Weischedel, 1975).

Der nihilistische Abgrund tat sich für Nietzsche endgültig auf, als er 1889, mit 45 Jahren zusammenbrach. Es geschah in Turin. Weinend umarmte er ein vom Kutscher misshandeltes Pferd und wurde unter wirren Reden in sein Hotel zurückgebracht. Die Ärzte diagnostizierten eine Paralyse, die sich Nietzsche durch eine in früheren Jahren erworbene Syphilis zugezogen hat. (Weischedel)

Der bekannte Philosoph Prof. Dr. Robert SPAEMANN (geb.1927) sagt in einem Interview mit der DIE ZEIT 1/(2016): "Mit einem Relativismus a al Nietzsche 'Wir müssen lernen ohne Wahrheit zu leben', können wir als Mensch gar nicht leben. Wenn wir nicht auf den Begriff Wahrheit rekurrieren können, können wir auch nicht mehr beurteilen, welche Meinung die wahrere ist, sondern nur, welche die stärkere ist. Allerdings hat das nichts mit Wahrheit zu tun."

Mit welcher Wahrheit? Der antike Philosoph Aurelius AUGUSTINUS (354-430), sagt es: Der Mensch ist seinem tiefsten Wesen nach auf Gott komponiert. "Fecisti nos ad te", "Du hast uns zu dir hin geschaffen" (Conf.1,1)

In dem Mass, so Peter OTT (1940), als wir uns an die Gebote Christi angleichen, in dem Mass wird unsere Persönlichkeit "weiter und reicher und mit höheren Werten geschmückt."

In diesem Sinne, ist es nicht schöner, sich an die Lehre Christi anzupassen, als an den Zeitgeist, der nach meiner Auffassung an das "Himalaja-Phänomen" (Hamid Peseschkian, Facharzt für Psychiatrie und Spezialist für Stressbewältigung) erinnert, wonach man "immer höher hinaus will und doch nie am Ziel gelangt." (NZZ, 27.12.2015)

 


 

Gibt es ein religiöses Erbgut im Menschen?

Diese Frage taucht immer wieder in Diskussionen auf, insbesondere in diesen Tagen vor Weihnachten.

Natürlich weiss man heute dank hoch entwickelter Zellenforschung und aus der DNA (Erbgutanalyse), wie ein Mensch entsteht und aus welchen Grundstoffen er zusammengesetzt ist. Aber bis heute weiss man nicht, wie aus den Zellen BEWUSSTSEIN wird. Konkret: Man kennt den "Sprung" aus der Materie zum GEIST nicht.

Das Nachdanken über dieses Phänomen führte den weltweit renommiertesten Genetiker Francis S. COLLINS (64), Direktor des Nationalen Gesundheitsinstituts in Bethseda (USA-Maryland) zum Christentum. Collins leitete von 1993 an das bekannte Humangenoprojekt (HGN) zur Identifizierung der vollständigen Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes. Die Forschung öffnete ihn die Augen für die Genialität der DNS-Moleküle (Domain Name System/Datenbank), dem Träger der Erbinformation. Collins war überrascht, als er im menschlichen Zellkern "Gottes Software des Lebens" entdeckte. Der Atheist wurde gläubig.

Darüber hinaus belegen aber auch zahlreiche neurobiologische, genetische, soziologische und psychologische Studien - unabhängig davon ob jemand religiös ist oder nicht -, dass Menschen mit unterschiedlichen geistigen Potentialen oder sonstigen Begabungen, wenn sie diese entfalten, irgendwann unwillkürlich einen Bezug zum Göttlichen verspüren. (Vgl. Spektrum der Wissenschaft, 12.01.2011)

Historische Beispiele aus dem Bereich der Musik und Physik

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Alfred PRINGSHEIM, Professor für Mathematik an der Universität München und Schwiegervater Thomas MANNS, lernte noch als Student Richard WAGNER persönlich kennen, zählte zu den ersten finanziellen Förderer der ersten Bayreuther Festspiele im Jahre 1876. Eine vergleichbare Rolle spielte Jean SIBELIUS im Leben des Mathematikers Rolf NEVANLINNA (geboren 1895), der im Jahre 1958 den Grossen Preis der Wihuri Foundation für seine kulturellen Verdienste bekam.

Nevanlinna sagte, Musik habe sein Leben lang begleitet - mehr noch: "Sie habe auf eine geheimnisvolle, ihm selbst nicht auf ganz verständliche Weise auch seine Arbeit als Forscher berührt". ( NZZ, 5.12.2 2015)

Und der Komponist Jean SIBELIUS (gest.1957) selbst?

In seinem Tagebuch notiert er im Jahre 1915: "Disposition der Themen. Dieses Wichtige geschieht geheimnisvoll... Als ob der Gottvater Mosaikteilchen aus dem himmlischen Strom geschleudert und mich gebeten hätte, sie so zusammenzufügen, wie sie waren". (Vgl. TZ, 8.12.2015)

Auch der Kernphysiker und Nobelpreisträger Werner HEISENBERG, berichtet ähnliches. Er sagt: Die Wirklichkeit ist so beschaffen, dass auch das Unwahrscheinliche grundsätzlich denkbar sei. "Der erste Schluck aus dem Becher der Naturwissenschaften macht atheistisch - aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott." (Vgl. Peter Seewald, 2015)

In einem Interview sagte Benedikt XVI.: "Nur solange man von den Einzelerkenntnissen berauscht ist, sagt man: Mehr geht nicht; wir wissen damit alles. In dem Augenblick aber, in dem man die unerhörte Grösse des Ganzen erkennt, reicht der Blick weiter und steht die Frage nach einem Gott auf, von dem alles kommt."

In diesem Sinne wünsche ich meinen Lesern und Leserinnen eine schöne Weihnachtszeit.

Ihre

M.v.Jesensky

 


 

MARIA, die milde Herrscherin

Normalerweise drückt die Bezeichnung "Herrscher" Strenge und Härte aus. Während Herrscher vor allem ihre eigenen Ziele verfolgen, sollen Könige und Königinnen das Wohl ihrer Untergebenen bezwecken. Das ist auch der Grund, warum sie bei ihrer Krönung mit Öl, dem Sinnbild der Barmherzigkeit gesalbt werden. Schon der römische Philosoph SENECA (um 4 v.Chr.) sagte: "Die Grösse des Königs und der Königin besteht darin, dass sie den Elenden zu Hilfe kommen". (Hoc reges habent magnificum, prodesse miseris)

Doch, so die Politphilosophin Dr. Regula Stämpfli, gibt es viele Frauen, die die Bindungslosigkeit, Distanz und die kühle Sachlichkeit der bösen Königin von Schneewittchen verkörpern. Sie sind wie "Drohnen, die die eigene Weiblichkeit auslöschen -,  die Anpassung an Herrschaft ist ihnen zur zweiten Haut geworden.

Sie haben sich ihre Strategien von den Männern abgeguckt, beherrschen ähnliche Worthülsen, die schon seit Jahrzehnten bei derartigen Männerkonferenzen ununterscheidbar sind, und scheinen genau dafür Karriere machen zu wollen." (2013, S. 104)

Und wie ist es bei MARIA von NAZARETH, bei der Mutter JESU, die die katholische Kirche mit Salve Regina, als Königin der Barmherzigkeit begrüsst?

Der Kirchenlehrer und Bischof Alfons Maria von Liguori (1696-1787), einer der besten Kenner Mariens, sagt: Weltliche Liebhaber sind gewohnt, oftmals von ihren geliebten Personen zu sprechen und sie zu loben, um ihrer Liebe auch von anderen Lob und Beifall gespendet zu sehen. Als sehr gering muss darum die Liebe jener gelten, die sich zwar rühmen, Maria zu lieben, aber wenig daran denken, von ihr zu reden, und andere zu ihrer Liebe zu bewegen.

Der schweizer Historiker und Hagiograph (Heiligenforscher) Walter Nigg erklärt in diesem Zusammenhang: "Der Einbruch Gottes in die menschliche Existenz ist nicht leicht darzustellen, da er kein historisch greifbares Faktum ist und sich den neugierigen Blicken entzieht. Oft kann er nur gedeutet werden, aber der Einbruch ist da, er verändert den Menschen. Das unterscheidet eine Heiligendarstellung von gewöhnlichen Biografien, die zwar spannend sein können, aber keinen Bezug auf das Göttliche haben." (1982)

Wer ist also MARIA? Albert der Grosse (geb. 1193), genannt "Doctor universalis", lehrt, "dass die göttliche Mutterschaft Mariens unmittelbar nach der unendlichen Grösse des dreifaltigen Gottes (Gott, Sohn und der Heilige Geist) komme, und zwar so, dass Maria, ohne Gott selbst zu werden, nicht enger mit Ihm hätte vereinigt werden können."

Darum sagt P. Damiani (1027-1072), päpstlicher Gesandter unter Kaiser Heinrich IV. über dieses Ereignis: "Es schweige und zittere jede Kreatur und wage kaum die Unermesslichkeit solcher Würde anzutasten. Gott wohnt in der Jungfrau, mit welcher Er die Gleichheit einer Natur hat."

Der hl. BONAVENTURA (geb. 1221), der dafür bekannt war, dass er die logische und moralische Bedingung der Wahrheitserkenntnisse untersuchte und sein Leben als General des Franziskanerordens dem Gottesdienst weihte, war von dieser Würde Mariens überzeugt. So sagt er aus eigener Erfahrung: "Wenn diese Mutter für uns eine Gnade von Jesus, dem Versöhnungsaltar erbittet, so schätzt der Sohn ihre Fürbitte so hoch, dass sie mehr einem Befehl als einer Bitte gleicht, und sie selbst mehr als Herrin denn als Magd erscheint."

Ich sehe es so: Weil jede Fürbitte in guter Absicht und in mildem Ton ausgesprochen wird, wieviel mehr gilt erst dann die Fürbitte Mariens, die, als sie mit dem Jünger Johannes unter dem Kreuze Jesu stand, diese Worte vernahm: "Frau, siehe dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter!" (Joh. 19, 16b-30)

Somit herrscht Maria nicht nur über das Herz Jesu, sondern auch über unsere Herzen - wenn wir es nur zulassen.

 


 

Die kreative Schweigsamkeit.

Was macht einen Menschen einigermassen zu anständigen, verlässlicheren und gutartigen Wesen - und was zu gewohnheitsmässigen Betrüger und Ausbeuter, fragt etwa so, der Psychologe Axel WOLF.

Klar, sagt er, wir alle sind immer wieder moralischen Unsicherheiten und Anfechtungen ausgesetzt - und manchmal erfüllen wir auch unsere eigenen Wertvorstellungen nicht hundertprozentig. Kleine Steuerbetrügereien oder Diebstähle, Lügen und andere Unaufrichtigkeiten, Boshaftigkeiten, aktive und passive Bestechungsversuche - nichts Menschliches ist uns wirklich fremd.

Der Unterschied zwischen einem prinzipiell "guten Charakter" und einem schlechten liegt jedoch darin, dass Ersterem seine moralische Verfehlungen bewusst sind, dass er wenigstens ein schlechtes Gewissen hat und öfters vor Versuchungen zurückschreckt.

Aus Erfahrung kann ich sagen, dass eine solche Einstellung zur Lebenszufriedenheit verhelfen kann.

Nun um das zu erreichen, hängt im hohem Masse von unserem DENKSTIL ab. Denken ist eine vitale geistige Tätigkeit. Es beeinflusst unsere Stimmungen und Motivationen.

WOLF sagt: "Ein negativer Denkstil ist beispielsweise das Katastrophisieren: immer das Schlimmste befürchten und nur die negativen Aspekte einer Situation betonen. Er beruht auf der Verallgemeinerung weniger negativer Erfahrungen. Denkstile und Einstellungen sind also wichtige Faktoren, um so etwas wie Zufriedenheit oder Glück empfinden zu können."

Zu positiver Denkweise gehört unter anderem, dass wir realistisch unsere Schwächen und Stärken einschätzen, flexibel umdenkend auf Veränderungen reagierend und gewisse Wunschvorstellungen, die unsere Wahrnehmung von der Realität verzerren, aufgeben.

Eine solche Sammlung der Gedanken erfordert natürlich Stille und SCHWEIGSAMKEIT. Sie ist eine Antithese zu Lärm und Zerstreuung. In ihr begeben wir uns in eine Tiefe, gleichsam auf einen "Standort", wo wir eine Distanz zu den Dingen gewinnen, die uns verschlingen könnten.

Diese Art des Schweigens nenne ich k r e a t i v, weil es uns von innen her formt und anderen Menschen Nutzen bringt. Es lehrt uns, wie die heilige Teresa von Avila (1515-1582) sagt, das Gute zu lieben, zu schützen und zu loben. Ist das nicht Nährboden für schöpferische Liebe? Eine Liebe, die jeder Mensch sich aneignen kann.

 


 

Wenn Angst das Arbeitsklima lähmt.

Kürzlich las ich in der Neuen Zürcher Zeitung (15.11.2015), dass in der Autostadt Wolfsburg (D), wo die VW-Werke angesiedelt sind, ein Klima der Angst herrscht. Es geht um die Aufarbeitung des Volkswagen-Skandals, der in den USA aufgedeckt wurde. Konkret darum, dass den Motorenentwickler klar war, dass die strengen amerikanischen Abgasvorschriften n u r mit einem Harnstoffzusatz (Harn ist die chemische Verbindung von verschiedenen Organismen) einzuhalten ist. Doch eine solche zusätzliche Vorrichtung hätte die Kosten erhöht. Wer dann entschieden hat, diese nicht zu verwenden, ist zur Zeit noch unbekannt. Fest steht, dass der Konzern statt dessen eine Software von BOSCH einsetzte, um Abgasprüfungen zu erkennen und dann die richtigen Werte zu liefern.

Getrickst wurde aber auch bei den Verbrauchswerten für die besonders umweltfreundlichen Automodellen.

Ingenieure haben im Kronzeugenprogramm angegeben, dass die Vorgabe auf legalen Weg nicht zu erfüllen war.

Bernd OSTERLOCH, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, sagt: "Volkswagen braucht einen grundlegenden Kulturwandel. Wir brauchen ein Klima, in dem Probleme nicht versteckt, sondern offen kommuniziert werden können. Diskussionen mit dem Vorgesetzten um den besten Weg müssen möglich sein."

Nun warum funktionierte das bis jetzt nicht? Und wie ist es möglich, dass hochqualifizierte Ingenieure mit solidem Stehvermögen in Angst gerieten, wenn sie von ihrem Chef, Martin WINTERKORN zum Rapport des so genannten "Schadenstisches" einberufen wurden?

Selbst gestandene Fachleute, so S. Ziegert (Berlin), sollen vor dem Termin gezittert haben, bei dem der Choleriker WINTERKORN, dessen Tobsuchtanfälle dokumentiert sind, seine Sitzungen so abhielt, dass er beim Widerspruch seine Gesprächspartner niederbrüllte. Der Automobilexperte Ferdinand DUDENHOEFFER sagt: Mitunter mussten diese Mitarbeiter auch morgens um fünf Uhr antreten.

Ich sehe es so: Es ist klar, dass Willensunbeweglichkeit (Sturheit) , Eigensinn und Halsstarrigkeit destabilisierende Formen der Kommunikation sind. Und weil sie massiv zu Uneinheitlichkeit führen, erzeugen sie bei Opfern Angst und STRESS.

Wie kann man dem entgegen wirken? Vielleicht könnte man das Problem mit einer philosophischen Reflexion zur "Freiheit" lösen.

Etwa so: Es gibt eine Freiheit von... und eine Freiheit zu einer Entscheidung. Zum Beispiel FREI-WERDEN, indem ich einer drohenden Konfrontation nicht ausweiche, sondern zu meiner ethischen Werte stehe, auch dann, wenn mir dadurch eventuell Schaden zugefügt wird.

Oder FREIHEIT-zum-DULDEN, aus welchen Gründen auch.

Jedenfalls ist die erste Reaktion gesünder, obwohl sie manchmal viel Kraftüberwindung braucht.

 


 

Wie gut sind die Gutmenschen?

Der Ausdruck "Gutmensch" bezieht sich im ursprünglichen Sinne auf solche Menschen, die nach besten Willen und Gewissen handeln, also auf ein edles moralisches Ideal. Doch seit 2012 ist er auf Grund eines Missverständnisses ein UNWORT geworden.

Das hat mit der Gesellschaft für deutsche Sprache (GdfS) und dem Deutschen Journalistenverband zu tun, sowie mit Internet-Foren, die das ethische Ideal des "guten Menschen" infrage stellen. Mit der Begründung, dass es Gutmenschen gibt, die eigenwillig ihre eigene Moralvorstellungen für gültig erklären.

Ich stimme diesem Gedankengut aufgrund meiner beruflichen Erfahrungen zu.

Nun rede ich im Folgenden nicht von Menschen, die tatsächlich aus edler Gesinnung ihre Hilfsbereitschaft anbieten und auch wissen, dass sie manchmal ausgenützt werden, sondern von "Gutmenschen", die süchtig nach gebraucht zu werden sind.

Ihren Persönlichkeitsprofil möchte ich so beschreiben: Nach aussen hin sind sie freundlich, zugänglich und zupackend, nach innen aber ichbezogen, fordernd und nach Anerkennung lechzend. Sind sie sich dessen bewusst? Meistens nicht, weil ihr Drang Gutes zu tun eine Kompensation ist für Werte, wie Zuwendung, Lob, Bestätigung, Anerkennung und ähnliches, die sie in ihrer Kindheit nicht oder zu wenig bekommen haben.

Wie soll man diese Menschen begegnen? Mein Vorschlag: Behutsam und sachlich argumentierend, auf ihre Dienste verzichten.

 


 

Quo vadis, Wissenschaft? (Übersetzt: Wohin gehst du, Wissenschaft?)

Roboter mit Ego.

Es gibt Wissenschaftler, die die Deutungshoheit über gewisse Phänomene, die sie nicht kennen oder nur punktuell, übernehmen. Mit Recht sagt diesbezüglich der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein in seinem "Tractatus" (1921), "wovon man nicht sprechen kann, darüber  muss man schweigen".

Forscher wollen neuerdings maschinell ein künstliches Bewusstsein schaffen, das heisst, mit Computerprogrammen ein reales Gehirn konstruieren. So haben sie einem Roboter namens iCub beigebracht, dass er selbständig ein Körperteil von sich entwickelt, indem er kleine zufällige Bewegungen ausführt, ihre Folgen beobachtet und durch Nachahmen lernt.

Warum dieses Projekt eine gute Zukunftsperspektive hat, erklärt  Tony PRESSCOTT, Leiter des Forschungsverbundes  Sheffield Robotics von der University of Sheffield (England), so: Unser Urteil  über den Status als Persönlichkeit beruht vor allem auf unserem spontanen Eindruck. "Es liegt zum großen Teil im Auge des Betrachters, ob er seinem Gegenüber einen personalen Status zuerkennt. Wenn ich mit iCub zu tun habe, kommt es mir manchmal ganz natürlich vor, mich ihm gegenüber verhalten, als zeige er erste Ansätze einer eigenen Persönlichkeit. Und gelegentlich habe ich das überraschende Gefühl, als sei da wirklich  so etwas wie ein fühlendes  Wesen".
(Vgl. Spektrum der Wissenschaft, 8/2015)

Wenn nun PRESCOTT dies  so empfindet, dann reduziert er das menschliche Bewusstsein auf ein Niveau, wo es zu einem leblosen Ding wird.

Das Bewusstsein ist aber MEHR. Man versteht darunter Erinnerungen, Wahrnehmungen, intellektuelle Vorgänge, Gefühle, Denkprozesse, Willensbildung und dgl. Kurz: Bewusstsein ist eine lebendige seelische Tätigkeit!

Der emer. Professor Dr. Gottfried SCHATZ, Biochemiker von der Universität Basel, sagt in diesem Zusammenhang:

"Unser Gehirn  enthält etwa hundert Milliarden Nervenzellen, von denen jede mit Hunderten oder sogar Tausenden anderer Nervenzellen vernetzt ist. Dies erlaubt unendlich viele Kombinationen, die sich zum großen Teil erst während  der Reife zum erwachsenen Menschen ausbilden. Die Zahl dieser Kombinationen übersteigt bei weiten die Zahl aller Menschen, die je gelebt haben, so dass jeder Mensch in seinem Denken und Fühlen einmalig ist. Diese  Einmaligkeit jedes Menschen kommt dem am nächsten, was wir gemeinhin SEELE nennen".
(Vgl. Neue Zürcher Zeitung, Dezember 2014)

 

 Exotische Studiumfächer - wem nützen sie?

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 Nach einem SPIEGEL-Bericht  von Manfred DWORSCHAK, stehen 18 194 Fächer an deutschen Schulen zur Auswahl. Von der akademischen Fischzucht ("Aquakultur"), bis zur Höheren  Schminkologie ("Kosmetikwissenschaft"), ja sogar Spazierenwissenschaft, so genannte "Promenadologie".

Und die neuen Exoten geben sich  karrierebewusst. Wer seinen Bachelor zum Beispiel in "Sound Studies" macht, hat vielleicht Aussicht  auf einen Job. Dumm ist nur, so DWORSCHAK, wenn es nicht klappt mit einem dieser Schmalspurfächer, die für sonst nichts gut sind (...) Gnade der Absolventen, die eines Tages im Bewerbungsgespräch erklären müssen, was sie da eigentlich studiert haben - ihr schicker Titel könnte sich leicht als ein Master of DESASTER entpuppen."
( DER SPIEGEL/ 45/2015)


Liegt die Deutungshoheit für die Entstehung des Lebens bei Physikern?

 

Seit  vielen Jahren suchen Physiker im Forschungszentrum CERN (bei Genf) nach dem kleinsten Baustein der Materie,  so genanntes „Elementarteilchen“, unter anderem mit dem Ziel,  die Entstehung des Lebens auf der Erde zu erklären und die Bibel zu widerlegen.  Planung und Bau für diese Grundlageforschung begann 1994. Zehn Tausend  Wissenschaftler und Techniker   waren daran beteiligt, sowie Universitäten und Forschungsinstitute auf der ganzen Welt. CERN  ist auch die Bezeichnung für die Europäische Organisation für Kernforschung. Die Suche nach diesem „Elementarteilchen“ wird  mit Hilfe von grossen Detektoren betrieben.

Im letzen halben Jahr hofften intensiv die Physiker darauf, das „Teilchen“ gefunden zu haben. Im vergangenen Dezember hatte nämlich das CERN  bekannt gegeben, dass in einer  Messkurve  eine Abweichung aufgetreten war, die auf ein unbekanntes Teilchen hinweisen könnte. Doch jetzt ist klar, dass es sich um einen Zufall gehandelt hatte. Kein neues Teilchen also, keine Sensation.

Der Physiker Adam Falkowski von der Universitè Paris-Sud, schreibt in seinem Blog: „Was ist da los? Vor wenigen Tagen kam die offizielle Nachricht: Der Teilchenbeschleuniger LHC hat kein neues Teilchen aufgespürt. (Zwischenbemerkung: LHC steht für Large Hadron Collider, Speicherring)  Wir gehen gerade durch alle Phasen der Trauer, jeder in seinem eigenen Tempo.“

DIE ZEIT schreibt in ihrer Ausgabe von 34/2016: Es drängt sich der Eindruck auf, dass viele Teilchenphysiker gerade zumindest unter mittelschweren Liebeskummer leiden…Als die Experimentalphysiker am vergangenen Freitag ihre Ergebnisse auf einer Konferenz für Hochenergiephysik in Chicago präsentierten, verpuffte die letzte Hoffnung. David  Charlton,  Sprecher des Atlas-Experiments am LHC, sagte: „Nein, da ist wirklich nichts.“ (Hinweis: ATLAS heisst einer der beiden Detektoren, die im vergangenen Jahr bei Teilchen-Zusammenstössen mehr Anomalie registrierten, als die Theorie vorhersagt. Hinter so einer Anomalie kann sich ein unbekanntes Teilchen verbergen. Und weil zwei Detektoren diese Anomalie unabhängig voneinander geortet hatten, regte die Beule in der Messkurve die Fantasie der theoretischen Physiker besonders an. Vgl. Stefanie Kara, 11. August 2016)

Ganz anders der tiefgläubige Isak NEWTON (1643-1727), Physiker und Entdecker des Gravitationsgesetzes  (Schwerkraft). „Liebeskummer“ solcher Art hat er keine gehabt. Weil sich seine „Zukunftsperspektive“ nicht in Forschung ausschöpfte, sondern im Glauben an Gott.


Ist das Gehirn mehr als eine Masse von Nervenzellen?

 

Dass sich Hirnzellen neu verschalten und ein Leben lang neu bilden können, ist  eine zentrale Erkenntnis aus der Hirnforschung der neunziger Jahre. Um die Neurowissenschaften zu popularisieren, hat die US-Regierung  dieses Jahrzehnt  zum „Dekade des Gehirns“ getauft.  Denn noch bis in die achtziger Jahre ist man davon ausgegangen, dass alle Nervenzellen  bereits bei Geburt  angelegt sind, das Gehirn bloss noch ausdifferenziert wird, und dass Hirnzellen im Verlauf des Lebens absterben.

Nun stellt das Gehirn noch heute viele Fragen an die Forschung. Thomas C. SUEDHOF gehört zu den weltweit bedeutendsten Hirnforschern. Er erforscht, wie Nervenzellen miteinander kommunizieren, und hat dafür 2013 den Nobelpreis bekommen. Die Wissenschaftsjournalistin Anna Birkenmeier sprach mit ihm: „Herr Südhof,  können Sie uns erklären, wie das menschliche Gehirn funktioniert?“  Südhof: „Nein das kann ich leider nicht. Ich kann dazu nur sagen, dass wir  von einem Verständnis des Gehirns weit entfernt sind.  Ich glaube, dass wir ganz am Anfang mit unseren Forschungen sind und  nur wenige Prozent  des Gehirns verstehen. Wir wissen aber, dass sich das Gehirn ständig umbaut und  im Gehirn unglaublich viele Nervenzellen  miteinander  kommunizieren. Jeder neue Lernprozess verändert, wie die  Billionen Nervenzellen miteinander reden. Ich habe den Nobelpreis für einen kleinen Teil dieser Kommunikation bekommen.“  (Vgl. „Mediaplanet“ Sponsored Content)

Und  David GELERNTER (63), Professor für Computerwissenschaften an der Yale University, 1993  durch eine Briefbombe  schwer an Hand und Auge verletzt,  erklärt in seinem  jüngsten Buch „Gezeiten des Geistes“, warum  kein  Computer die Tiefen des menschlichen Bewusstseins   ausloten kann: „ Der klassische Computer wird nie ein Bewusstsein wie der Mensch erlangen, er wird keinen Daseinsmodus haben, er wird  keine Emotionen haben, er wird nicht in der Lage sein, die Welt zu erleben und sich etwas vorzustellen. Dafür fehlt  dem maschinellen Gehirn die Verbindung mit einem Körper“.  (DER SPIEGEL/ 21/2016)

Aber auch Felix HASLER, Forschungsassistent an der Berlin School of  Mind  and Brain der Humboldt-Universität  (Berlin) Kognitions-  und Neurowissenschaftler, sagt: „Letzten Endes kommen Neurologen bei der Beurteilung schwerer Hirnveränderungen  ohne  schwerwiegende Symptome  immer zum gleichen Schluss: Eigentlich wissen wir gar nicht,  wie so etwas möglich ist.  Zwar bei Epilepsie und  Multipler Sklerose ist ein Wissenszuwachs zu verzeichnen.  Auch die Krankheitsmechanismen bei der Parkinson-Krankheit  sind gut untersucht und bedeutende  Fortschritte  erreicht. Schwere  Verläufe bei Parkinson können in  Schach gehalten werden und auch die Behandlung von Schlaganfallpatienten und Hirnverletzten haben sich stark verbessert. Doch der Wissensstand bei den Demenzen ist schlechter. Es  gibt zwar aus der  Alzheimerforschung  biologische Befunde,  wonach die Krankheit  durch Eiweissablagerungen  im Gehirn nachweisbar ist.  Doch es ist kaum möglich aus dem Vorhandensein  von Eiweissablagerungen auf Symptome (z.B. Vergesslichkeit)  zu schliessen.  Das zeigt die legendäre „Nonnenstudie“ aus den USA. 

Dort begann David SNOWDON, ein Epidemologe, 1986 mit einer Studie zu Altern und  Demenz bei über 600 Nonnen der School Sisters of Notre Dame. Er befragte die Frauen  regelmässig, führte neuropsychologische Tests durch und untersuchte die Hirne verstorbener Ordensschwester. Er fand Erstaunliches. Bei Schwester Bernadette etwa.  Sie starb unerwartet mit 85 an einem Herzinfarkt.  Die Obduktion ihres Gehirnes zeigte derart massive Eiweissablagerungen, dass die Diagnose nur lauten konnte: Demenzstufe 6, Alzheimer im Endstadium.  Doch Snowdon hatte wenige Wochen vor ihrem Tod mit ihr gesprochen. Die Nonne verfügte auch mit 85 über eine hohe Intelligenz und ein bewundernswert gutes Gedächtnis. Vor allem zeigte sie keine Symptome von Alzheimer.

Das ist ein Paradebeispiel, so HASLER, für ein fundamentales Problem der Neurowisssenschaftler. Es lassen sich zwar biologische Abweichungen finden, wie die Eiweissablagerungen bei der Nonne,  aber  aus einem bestimmten Zustand  des Gehirns noch keine, oder nur selten klare psychische Symptome oder Defizite ableiten. Fazit: Anders als bei schweren körperlichen Krankheiten wie Krebs oder Herzinfarkt,  „scheint  im  Gehirn die Biologie nicht Schicksal  zu sein“. Mit anderen Worten: Aus einem bestimmten Gehirnzustand folgt nicht zwingend ein bestimmtes psychisches Symptom.  (Vgl. Beobachter,  12/2016)

Wenn das aber so ist,  wie wollen die Neurowissenschaftler die Entstehung des Bewusstseins aus Gehirnzellen erklären? Ist unser Geist die Summe unserer Hirnzellen?  Das tönt spekulativ.  Im  Unterschied  zu anderen  Naturwissenschaften wie  Physik,  wo  es  eine  Relativitätstheorie und  Quantentheorie  gibt  und wo sich  Theorien durch Experimente prüfen lassen, fehlt es in der Hirnforschung eine Grundtheorie des Gehirns. (Hasler)

Auch der promovierte Physiker Dieter SCHUSTER (geb. 1946) ist dieser Frage nachgegangen. Nach zehn Jahren  intensiver Forschung  resümiert  er: „Die Bausteine  unseres  Bewusstsein kommen aus der geistigen Welt,  das Gehirn setzt sie nur zusammen.“  Das hat riesige Konsequenzen.  Denn das bedeutet, dass diese Bausteine  auch nach dem Tod noch vorhanden sind. Für die Naturwissenschaftler sind wir nur ein Zufallsprodukt.  Aber die „Bausteine“ des Geistes  weisen darauf  hin, dass  hinter all dem „eine Absicht steht.  Diese Absicht  kann man nur  als Gott  bezeichnen.“


Was Historiker nicht beweisen können.

 

Die  griechischen  Philosophen vor Christus, lehrten: Wahrheit ist  eine Eigenschaft des Denkens, die Übereinstimmung von Denken und Ding. Um eines guten Lebens willen lag ihnen viel daran, an dieser Wahrheit Anteil zu haben. Dies geschah durch Studium und Erkenntnis, vor allem aus Liebe zur Wahrheit, die man dann auch „Philo-Sophie“ (Weisheit), nannte.

Jesus ist aber keine Eigenschaft des nur Denkens, nicht die Übereinstimmung von Denken und Ding, sondern die personifizierte Wahrheit, die den Anspruch erhebt, „Ich bin der, der bleibt.“ Es gilt - so der international bedeutende Theologe Prof. Klaus BERGER –, „dieser Wahrheit zu dienen, nach ihr zu forschen, um etwas herauszufinden, das nicht gleich morgen wieder umgeworfen wird, sondern auf das man auch morgen und für immer zählen kann.“ Der häufige Gebrauch von „Lieben“ und „Liebe“ im vierten Evangelium versteht sich daher, als die wahre Philosophie. Berger: „Wenn die Wahrheit eine Person ist, liegt alles daran, mit dieser Person in möglichst engen Kontakt zu stehen. Diesen Kontakt nennen die Evangelien Nachfolge, Hinterher-Gehen“, hinter der Liebe Jesu.

 Demgegenüber haben die griechischen Philosophen (wie oben gesagt), die Wahrheit  als  Übereinstimmung ihres Denkens mit ihren Erkenntnissen von der Natur, von Menschen und Dingen verstanden. Heute würde ich sie, als „humanistische  Materialisten“  bezeichnen.

Nicht wenige moderne Bibelwissenschaftler und Theologen folgen diesem Gedankengut, indem sie zum Beispiel behaupten, Jesu  Lehre und Wirkungen sind historisch  nicht belegt.  Sie  reduzieren  seine Gottheit  auf einen  Gutmensch-Status, Gesundheitsbeter oder sanftmütigen Weisheitslehrer. Auch nützen sie  die Eingeständnisse der Schwachstellen  in der Heiligen Schrift aus, um ein gewünschtes Resultat zu erlangen. So wird beispielsweise gesagt, die Jünger Jesu, die Predigten hielten, waren „ungelernte“ Menschen, „die nicht lesen und schreiben konnten“. Das lässt sich gut ausnützen, zum Beispiel, indem man den  Ersten Petrusbrief für unecht, d.h. für gefälscht erklärt. Denn woher sollte Petrus, der nicht lesen und schreiben konnte, die Zitate aus der griechischen Bibel (gemeint ist das Alte Testament, SEPTUAGINTA,  250 vor Christus)  kennen? Und woher sollte Petrus Griechisch gelernt haben? Jesus und die Jünger sprachen doch Aramäisch. (Berger)

Weiter erklärt Berger: „Ohne  Griechischkenntnisse  hätte man im ‚Galiläa der Heiden‘ zur  Zeit Jesu noch nicht einmal ein Brötchen kaufen können. Und perfekt zweisprachig  sind in unserer Familie schon Fünfjährige. Und es ist eine zielgerichtete Mär, zu behaupten, ältere Katholiken verstünden das Latein von Tantum ergo, Gloria und Credo nicht. Sie können es sogar singen, und zwar bis heute…Und selbst wenn Petrus nicht schreiben konnte – Briefe pflegte man zu diktieren.“ (2012, S. 15-17)

 

Der grosse französische Historiker Marc BLOCH (gest. 1944), der ein Meisterwerk zur Methode der Erforschung der „Geschichtswahrheit“ verfasst hat und dessen Werk in 8 Sprachen übersetzt wurde, vergleicht  den Historiker mit einem Richter, der eine Tat zu  rekonstruieren versucht, ohne selbst dabei gewesen  sein. -  Der kritische Zweifel ist angebracht, doch zwischen dem Zweifel eines  Naturwissenschaftlers  und eines Historikers ist zu unterscheiden.  Der Zweifel eines Mathematikers, wie z.B. beim Descartes (16 Jhd.), ist mathematisch begründet, während der Zweifel des kritischen  Historikers  (so Bloch),  „sollte sich nur durch Wahrscheinlichkeiten an die Wahrheit  herantasten.“ 

Und das ist verständlich: Denn wie könnte ein Historiker die intime „Liebesprache“ zwischen  Jesus und seinen Jüngern verstehen, wenn er nicht begreift, dass die Voraussetzung für eine Beauftragung durch Jesus, eine persönliche Antwort des Jüngers  verlangt. So fragt der Herr dreimal Petrus, ob er ihn liebe, weil  ihm diese Liebe  extrem wichtig war. Berger: Es ist schon eigenartig: Obwohl der Hirte für die Schafe da ist – entscheidet sich doch alles daran, ob er den Herrn liebt.“ (2010, S. 196)

Kann man solche Entscheidungen des Herzens historisch nachvollziehen und beweisen? Wohl kaum.


Hat sich Charles Darwin am Ende seines Lebens bekehrt?

 

Im Jahre 1837  hielt  DARWIN  einen Vortrag vor der Geologischen Gesellschaft über die Regenwürmer. Das war damals inmitten seiner Arbeiten an der Zoologie oft he Beagle geschehen. Nun, dreiundvierzig Jahre später, im Alter von 81 Jahren, war es zu seiner Hauptbeschäftigung  geworden. Das Leitmotiv zu dieser Beschäftigung war auch diesmal, sein Glaube an die natürliche Auslese der Evolution.

Darwin experimentierte jetzt mit Wärme und Licht und überprüfte die unterschiedlichen  Essgewohnheiten seiner Würmer.  Zu diesem Zweck hatte er  53‘767  Stück „Erdbewohner“ aus seinem Garten gesammelt  und sein Billardzimmer zum Arbeitszimmer und Labor umfunktioniert.  Auch nachts arbeitete er, um die Wirkung von Licht aus verschiedener Quellen, von Kerzen bis Laternen, auf seine Versuchstiere studieren zu können. Teilweise wurden die Töpfe mit blauen oder roten Glas abgedeckt, um die Reaktionsunterschiede der Würmer exakt festzuhalten.

Um zu zeigen, dass die Würme auf Reiz-Reaktionen konditioniert werden können (also lernfähig sind), hatte er sogar seine Familie in das Experiment einbezogen. Seine Frau Emma (geborene Wedgwoods) spielte für Darwins Experimente auf ihrem Klavier, Francis, sein Sohn auf dem Fagott  und der Enkel (Bernard) hatte sie mit Pfeife begleitet. – Schlussendlich bescheinigte Darwin seinen Versuchstieren eine „Mentalität“ und „einen Hauch von Sozialgefühl“ – beides natürlich blanker Unsinn, so sein Biograf Guido J. BRAEM, Professor für Biologie an der University of Maryland. (2009)

Das Jahr 1880 endete für Darwin mit Ärger und Sorgen. AVELING, ein junger Evolutionist, der früher von Darwin  mehr oder weniger unterstützt wurde,  hegte die Absicht, seine Schriften zu veröffentlichen. Er schrieb Darwin und bat ihn um  Erlaubnis, ihm das Buch widmen zu dürfen. Aveling  gehörte zu den Kreisen, die  die Kirche und den Glauben offen angriffen haben; „etwas, was Darwin nie getan hatte und auch nicht unterstützte“, sagt, Braem. Darwin lehnte dankend die Widmung ab.  (S. 405)

 

SHOWDOWN  IN  OXFORD

Die wichtigste  Wissenschaftskonferenz  Britanniens  (Jahresversammlung der British Association fort the Advancement of Science) fand 1860 in Oxford statt. Man wusste, dass Darwins Origin of Species (Ursprung der Arten) eines der Hauptthemen sein würde. Eine der Referenten war der bekannte Botaniker Richard HUXLEY. Er wurde gebeten, die Diskussion zu eröffnen mit dem Ziel,  Darwins  Evolutionstheorie vehement zu verteidigen. Auch der Bischof von Oxford, Samuel Wilberforce war dabei.  Er hatte   die Absicht,  mit Hilfe von Paläontologen Richard Owens (das sind Wissenschaftler, die die Entwicklungsgeschichte des Lebens und die irdische Veränderungen anhand von Fossilien erklären), Darwins Theorie zu widerlegen.

 Niemand hatte erwartet,  dass sich diese Konferenz zu einem offenen Schlagabtausch  zwischen dem  Glauben, Kirche und Wissenschaft entwickeln würde. In seinem Vortrag verglich Owen (eine der grössten Gegner Darwins) die Gehirne von Mensch und Affe und argumentierte, zwischen dem Hirn des Gorillas und dem des Menschen  bestünden grössere Unterschiede als zwischen dem Hirn des Gorillas und  dem der primitivsten Affen.  (S. 318)

Doch Richard Huxley konterte: Er sagte, „die Wissenschaft basiere auf Fakten, und Darwins  Buch sei voll mit solcher Fakten. Und nein, er schäme sich nicht, einen Affen als Vorfahren zu haben…“  (S. 320)

 

Ein seelischer Umbruch?

Im Jahre 1881 fühlte Darwin sein Lebensende nahen. In einem Brief an den englischen Botaniker Joseph Dalton Hooker, schreibt er: „Ich habe in meinem Alter weder den Willen noch die Kraft, mit einem Projekt anzufangen, dass mehrere Jahre in  Anspruch  nehmen würde, auch wenn es das einzige wäre, das mir wirklich Freude bereiten würde.“

Doch der Kampf mit der Evolution war noch nicht vorbei. Der irische Philosoph William Graham (1839-1911) hatte ein Buch mit dem Titel  „The Creed of Science“ (Das Credo der Wissenschaft) veröffentlicht.  Er vertrat die Meinung, „Gott, der freie Wille, die Unsterblichkeit und die Moralgesetze  würden alle Anfechtungen durch  Materialismus  überleben.“ Nachdem Darwin das Buch gelesen hatte, überkamen ihn seine alten Zweifel in Bezug  auf den Ursprung des Lebens; nämlich, ob das  Sinnvolle aus der sinnlosen Materie (Bakterien)  entstanden ist.

In einem Brief an Graham schrieb er (Auszug): „Sie haben meine innere Überzeugung  beschrieben…dass das Universum kein Zufallsprodukt ist.“ (S. 408)

Hinweis: Darwin hatte zuerst auf die Empfehlung seines Vaters Theologie studiert (1828), dies aber später aufgrund  mangelndes Interesses aufgegeben. Erwähnenswert  ist  in diesem Zusammenhang: Darwin bezeichnete  rückblickend    diesen Abschnitt seines Lebens in einem Brief an seinen ehemaligen Tutor John Graham (1794-1865), als den „glücklichsten“.

Hat sich nun Darwin bekehrt?  Zwei Indizien sprechen dafür. Seine Frau Emma war tief religiös, Darwin liebte sie. Es ist denkbar, dass sie ihn  diesbezüglich beeinflusst hat. Ich weiss aus  praktischer Erfahrung mit Eheleuten, dass, wenn die Ehe gut funktioniert, irgendwann sich auch der ungläubige Partner oder Partnerin bekehren kann. Das zweite Indiz wäre, dass Darwin, nachdem er sich mit dem Text von Graham  auseinandergesetzt  hat, zu ähnlichem Schluss gekommen ist, wie der promovierte  Physiker Dieter Schuster (geb. 1946), der nach zehnjähriger intensiven Forschung zur Frage nach dem Ursprung des Lebens, wie folgt resümiert: Die Bausteine unseres Bewusstsein kommen aus der geistigen Welt, das Gehirn setzt sie nur zusammen. Das bedeutet, dass diese Bausteine auch nach dem Tod noch vorhanden sind. Sie weisen darauf hin, dass „hinter all dem eine Absicht steht. Diese Absicht kann man nur als Gott bezeichnen.“


Wenn der Eigenwille das Wissen über Gott überschattet.

(Reflexionen aus katholischer Sicht)

An zwei Arten von Wissen über  Gott möchte ich erinnern. Das erste: Nach  Ezechiel (36, 27)  besitzt  jeder vernunftbegabter Mensch ein intuitives „Standardwissen“ über  Gott, weil Gott  selber dieses Wissen in die Seele eingepflanzt hat: „Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt.“ Darum ist es möglich Gott zu suchen und Ihn zu erkennen.

Ich stelle mir bildlich das so vor: Die Sonne als Symbol für die Urkraft des Lebens, bestrahlt alles, ohne unsere Mitwirkung auf Erden.  Ähnlich dringen auch die Gebote Gottes auf unseren Verstand ein, sofern wir sie nicht durch den eigenen Willen blockieren. Tun wir das, was oft geschieht, wenn wir uns zum Beispiel  nur auf unser Gewissen,  Wissen und Erfahrungen berufen, entfernen wir uns vom Ur-Licht und werden zum „Produzenten“ künstlicher Lichter, die aber immer wieder mit neuen Batterien aufgeladen werden müssen, um überhaupt zu  leuchten.  Darum mahnt  Kardinal George PELL: Gewissen heisst nicht automatisch, „Recht auf Eigensinn“. Weiter sagt er: Das Konzept vom „Primat des Gewissens“ könne schwerwiegende Folgen für die Kirche haben, wenn unser Gewissen nicht anhand der offenbarten Lehre und dem moralischen Gesetz gebildet sei. (London, 2016)

Auch dann, so sehe ich, wenn wir zwar nach dem Gebote der Liebe handeln, aber aus welchen Gründen immer auch, die Lehre und die Sakramente der Kirche (Taufe, Firmung, Eucharistie, Beichte, Krankensalbung, Priesterweihe und Ehe) teilweise oder ganz ablehnen.  Ganz einfach, weil diese von JESUS selbst eingesetzt worden sind.

 

Ein historisches Beispiel.

Über den Reformator Martin LUTHER (15 Jhd.) wissen wir, dass  sein Verständnis von der Nächstenliebe, mit der Lehre der katholischen Kirche übereinstimmt. Er sagt, Nächstenliebe  folgt  keiner Berechnung, keinen Eigeninteressen. Ob ein Mensch im moralischen Sinne gut ist, zeigt sich daran, dass er das Gute „freiwillig, fröhlich, mit spontanem Eifer“ tut und ob es dem Nächsten von Nutzen ist.

Auch über die existenziellen Fragen des Glaubens, dachte Luther richtungweisend nach: „Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht ein Gesundsein, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung…Es ist nicht das Ende, es ist aber der Weg. Es glüht und glänzt noch nicht alles, es fügt sich aber alles.“ (Zitiert nach: DER SPIEGEL, 47/2016)

Doch nach seiner Überzeugung braucht es keine kirchliche Dogmen, kein Kirchenrecht, keinen Papst und keine geweihten Priester. Christus allein ist der Mittler zwischen Gott und Mensch. Die Zukunft gehört dem Individuum, das war das Credo Luthers.  All das steckt auch in seinem berühmten Satz: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen“. (1520)

Dies hat zur fatalen Folge gehabt, dass ab 1522 immer mehr Mönche und Nonnen ihre  Orden verliessen, er selbst trat aus seinem Augustinerkloster heraus und heiratete die  Nonne Katharina von Bora. Diese Heirat mit ihr, 1525,  die ebenfalls aus ihrem  Kloster geflohen war und ihm später sechs Kinder gebar, war eine Sensation.  

 

Einen starken Verbündeter fand Luther auch bei dem Wittenbergischen Professor Philipp MELANCHTHON (1497), von ihm stammt der berühmte Satz „Sapere audete“, (Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“.)

Diesen  Mut hatte Luther  gehabt. Doch gegen Ende seines Lebens  hat sich seine Persönlichkeit  verändert. Misserfolge und Stagnation der Reformation, Spaltungen  im  evangelischen Lager, Arbeitsüberlastung, Erschöpfung und Verbitterung führten dazu.

Der  Kirchenhistoriker  Thomas Kaufmann berichtet: Der späte Luther „war nicht mehr der einzigartige Held von Worms, der bewunderte Prediger, der masslos erfolgreiche literarische Tröster – er war ein aufgewühlter, von Konflikten heimgesuchter, überforderter  Theologe, der die Geister, die er hervorgerufen hatte, nicht Herr  zu  werden vermochte…“  (Vgl. DER SPIEGEL 47/2016)

Wie ich schon in einem anderen Zusammenhang darauf hingewiesen habe, der bedeutende amerikanische Psychoanalytiker Erik ERIKSON wagte in den Fünfzigerjahren die Diagnose, „dass Luther zeit seines Lebens unter psychischen Problemen litt und geplagt war von Melancholie und schweren Schuldgefühlen.“ (vgl. meinen Artikel im kath.net v. 30.11.2016)

Nun, Schuldgefühle  entstehen meistens, wenn uns das Gewissen mahnt. Könnte das auch so bei Martin Luther  gewesen sein?


Wenn die Urzelle des Lebens infrage gestellt  wird: Ehe für alle?

 

Vor Kurzem wurde im Bundestag die „Ehe für alle“ beschlossen. Angela Merkel schlug  vor, die Parlamentarier sollen bei der Abstimmung, ihrem Gewissen folgen.

Nun, dass  das  Gewissen auch  Fehlentscheidungen treffen kann, wenn es nicht vom Heiligen Geist geführt wird, das kann man  sehr deutlich  am „Fall von Saul“ ablesen,  der  nach   bestem  Wissen  und  Gewissen,  die ersten Christen verfolgte.

Dann, auf  dem Weg nach Damaskus, wurde er durch den Heiligen Geist,  durch  den Geist  Christi  „überführt“. Im Nu wurde  aus  SAUL  ein bekehrter  PAULUS.

Der  Literaturwissenschaftler und  Mystikforscher, der emeritierte  Professor Alois Haas,  bekennt unumwunden von sich: „Wenn der Heilige Geist fehlt, bin ich manipulierbar“.  (forum/Kirche 12-2017)  Er  meint damit  den  inneren, eigeborenen Lehrer  in  uns  (vgl. Ezechiel 36 u.ff),  das Göttliche, ein  vitaler Aspekt der Seele, der  über  das  rationale  Denken  hinausgeht,  freilich  ohne  ihn zu zerstören.

 Weiter sagt Haas: Dieser Geist ist das „Ermächtigungsorgan, das bewirkt, dass ich gesamtheitlich  wahrnehmen  kann (das heisst)…dass ich alle Sinne fruchtbar machen  kann  zur  Wahrnehmung  Gottes und  der Welt“.

Es ist nicht schwer zu erkennen, dass  bei dieser  Abstimmung der Heilige Geist  nicht anwesend war, weshalb die Sünde, zum  ersten Mal in der Geschichte Deutschlands,  legitimiert  wurde  -  trotz  der Tatsache,  dass die Verfassung die  Ehe  als  Polarität  der  Geschlechter  definiert. 

Waren sich die Abgeordneten, die dafür stimmten, der Schwere ihrer Entscheidung bewusst?   Ich zweifle daran. Denn, so meine Erfahrung als Psychologin, der Geist Gottes kann kaum wahrgenommen werden, wenn er durch die Triebe „verschüttet“ ist.  Wir neigen dann dazu, unsere Taten, die  den Geboten Christi widersprechen, mit anthropologisch-humanistischen Argumenten zu rechtfertigen, die aber im Wesentlichen dazu dienen,  unsere Bedürfnisse,  insbesondere auch im Sexualbereich,  auszuleben.  All  das  geschieht  vielfach unbewusst.  So kann  das Unbewusste zum  Einfallstor der Missachtung oder Ablehnung  von Gottes Geboten (auch bei praktizierten Homosexualität) werden. Das haben schon ohne spezielle  psychologische  Kenntnisse  die  heilige Teresa  von Avila    und  der heilige  Johannes  von  Kreuz  erkannt.  (Ungläubige Psychologen sehen das anders)

In meiner Praxis in Zürich,  habe ich zahlreiche Menschen mit homosexueller Neigung  oder    praktizierter  Homosexualität  begleitet. Sie waren fokussiert auf sexuellen Reizen,  ihr  Leben war   (fast)  völlig  davon  beherrscht.   Allen  gemeinsam  war,  dass  sie  ihre  Sexualität  nie  ganz  entspannt  erlebt  haben,  weil sie in eine emotionale  Rolle  schlüpften,  die  nicht  ihrem  Geschlecht  entsprach. Ich  nenne  das  Pseudosexual-Integritäts-Zustand.

Ein Schlusswort:  Wie ich schon in einer meiner früheren Stellungnahme  erwähnt  habe, einmal hat mir ein Pfarrer, bezüglich der gelebten  Homosexualität gesagt: „Wir können  schlussendlich  nicht  wissen,  ob das nicht auch der Wille Gottes ist“.

Ich antwortete: „Das stimmt. Wir wissen aber ziemlich genau aus dem Alten und Neuen Testament, was Gott nicht will.“


Die Marathonläufer des Glaubens – oder wer revitalisiert die Kirche?

Ein  Rückblick  auf  die Kirchengeschichte.

 

27 Männer und fünf Frauen wurden zwischen 1540 und 1770 von der Kirche als Heilige kanonisiert, weitere sechs erhielten die vorbereitende Anerkennung zur Seligsprechung.  Alle waren Angehörige des Klerus, mit Ausnahme von sechs Weltpriestern (ein Papst darunter), gehörten alle einem Ordnen an. Sie bildeten ab 1545 die stärkste Gegenreformation gegen Martin LUTHER, der zur grössten Herausforderung  für  die römisch  katholische  Kirche  wurde.  Das  Konzil von Trient  (1547) bekräftigte dann die Versammlung der Bischöfe (Konzilsväter), speziell die sieben Sakramente der Kirche und verurteilte eine Liste von Luthers Lehren zu diesem Punkt. (Zu Erinnerung. Die sieben Sakramente der Kirche sind: Taufe, Firmung, Eucharistie [das ist das Allerheiligste Sakrament des Altars], Beichte, Krankensalbung, Priesterweihe und Ehe)

Die lutherische Bewegung war aber nur die jüngste in einer langen Reihe von Herausforderungen, denen sich die Nachfolger Petri stellen mussten. Schon vor der Reformation gab es Proteste gegen die nicht pflichtbewussten Geistlichen, die sich nur halbherzig an die Heilige Schrift  hielten und sich Privilegien durch Günstlingswirtschaft  verschafften. Die lokalen und regionalen Bedingungen variierten  erheblich, je nach bischöflichen oder weltlichem Eifer und Einsatz. Noch im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts gab es  zum Beispiel Landpfarrer, die kein Wort  Latein  verstanden.  Und  immer suchten auch  Skandale  die  geistlichen Eliten heim, wie etwa der um den Abt de Chosy (1644-1724), einen Adligen, der ein Transvestit war.

Die Protestanten verurteilten das „römische Babylon“, Teile der katholischen Sakramente  (unter anderem die Beichte) und  anerkannten die Legitimität des Papstes  nicht.

Das Konzil von Trient  ging 1548 zu Ende. Der Präsident (MORONE) erklärte das Konzil  für geschlossen und sagte, zur  gegebenen Zeit würde die päpstliche Billigung  die  verabschiedeten  Verordnungen (Dekrete)  bekannt  machen. Er dankte den Teilnehmern für ihre Mitarbeit und verabschiedete sie mit den Worten: „Geht  hin in Frieden.“  Nach  diesen Worten sprach noch der Kardinal GUISE  zu den Versammelten: „Lasst  uns  die Dekrete  stets  beachten!“  Die Väter  antworteten einstimmig: „Stets  wollen  wir sie  bekennen,  stets  beobachten.“ (Vgl. Europäische Geschichte, Fischer Verlag, 1998)

 

Zu  dieser Zeit  begann auch eine intensivere  Rückbesinnung auf die  frühchristlichen   Glaubenszeugen, speziell  auf die Märtyrer der Kirche. Die Entdeckung  ihrer  Reliquien  (körperliche Überresten)  in den Katakomben Roms, sollte in der Stunde der Not helfen.  Zum Teil auch als Reaktion  auf  die protestantische Herausforderung.  So  hat zum Beispiel  Kardinal  Cesare BARONIUS  (gest. 1607) mit  seiner grossen, chronologisch verfassten Kirchengeschichte  -   genannt  „Annalen  der Kirche“ (Jahrbücher) -, begonnen.  Im  ersten  Band (1588)  berichtet er:

 Zu der Katakombe des hl. Sebastian an der Via Appia, der einzigen bekannten Katakombe  aus  römischer Zeit, pilgerte der hl. Karl  Borromäus und betete; auch der hl. Philipp Neri verbrachte dort bei den Gebeinen der frühchristlichen Märtyrer lange Nächte betend, lesend und meditierend. 1578 wurde das Grab der Priscilla, einer frühen Christin, entdeckt; ein weiteres Suchen brachte über 30 Katakomben ans Licht. Rom war perplexEs stand auf heiligem Boden – auf kilometerlangen unterirdischen Tunnels, Begräbnisstetten und Zufluchtsorte  frühchristlicher Gemeinden.

1599 wurde auch der hölzerne Sarg von der Märtyrin hl. Cäcilia (gest. 23O n. Chr.) entdeckt. Er war  im 9. Jahrhundert versiegelt und in einer römischen Kirche vergessen worden. Da der Leib der Heiligen nicht verwest war, sondern noch lebensähnlich  und  scheinbar  schlafend, rief  das eine Sensation aus.

Nach  diesen Ereignissen  durchwehte  die Kirche ein Erneuerungswille zur Heiligkeit.  Zahlreiche Männer und Frauen begannen ein  gottgefälliges Leben, viele von ihnen  wurden  heiliggesprochen. Auch die spanische Nonne, Theresia von  Avila (1515-1582). Sie galt mit Recht als die heilige Mystikerin der katholischen Erneuerung par excellence. („Mystik“ ist nach Johannes vom Kreuz die „Wissenschaft  der Liebe“)  Ihre  Meditationen,  Versuchungen, Betrübnisse, Visionen, Freuden (Entzückung)  und Sehnsucht nach Vereinigung mit dem göttlichen  Willen,  spornten  viele Katholiken,  bis heute  zur  Nachahmung  an.

Peter  SEEWALD, der Autor des Buches „Letzte Gespräche“  (mit Benedikt XVI., 2016 ), sagt:

Im letzen Grund  existiert  Kirche durch Christus. Sie lebt von den stillen Betern, jenen, die in die Tiefe gehen, um aus dem Kleinen ein  großes  Rad zu drehen…Es  gibt  die Verantwortung  der Laien. Unzählige leisten treuen Dienst, ganz ohne Anerkennung. In einer ermüdeten Kirche ist die Glaubenstreue der Einzelnen der  große  Schatz,  der Zukunft  möglich  macht.“

 

 Ich  sehe es so: Diese stillen Beter sind bis heute die unsichtbaren Säulen der Kirche,  sie  lauschen auf  das Wort Christi und lassen sich von ihm  umgestalten.  Sie  sind  Marathonläufer  Gebetes  und  haben die  geheime Kraft  des Gehorsams  entdeckt.  Die  Revitalisierung  der Kirche besteht  aus meiner  Sicht  nicht  in  endlosen  Diskussionen  und  Dialogrunden  zu  Streitthemen,  wie  „Frauenpriestertum“  oder  „Zölibat“, sondern   im  Durchleiden  des Gehorsams.  So,  wie  JESUS  es  im  Gethsemane  sagte: „Nicht wie ich will, sondern wie Du willst.“


Was hat Siegmund Freuds Triebslehre mit der katholischen Lehre von der Enthaltsamkeit gemeinsam? 

 

Auf den ersten Blick gar nichts. Denn die Psychoanalyse hat die Deutungshoheit über das Seelenleben verloren. Viele Thesen ihres Gründers  - so Jean-Martin Büttner –, sind  heute  widerlegt.  Aber wie wird man eigentlich Wegbereiter einer wissenschaftlichen  Revolution?  fragt  Büttner.

Es  ist  der Verdienst  Sigmund Freuds, der  bevor er seine Sexuallehre  über die „Sublimation“,  das heisst, Umwandlung sexueller Energie in eine geistige Leistung formulierte, diese Umwandlung, bei sich selber  ausprobierte.  Deshalb konnte  er  authentisch  darüber  schreiben.

Als  „echter Sohn“ des 19. Jahrhunderts, wie ihn Thomas Mann nannte, sei Freud vom Darwinismus und dem Glauben an den wissenschaftlichen Fortschritt geprägt worden.  Deshalb  hat Freud, so sein  Biograf Peter-André Alt (2017) seinen Trieb   aufs  Feld  der Wissenschaft  umgelenkt  und  verbrachte  den grössten Teil  seines Lebens in sexueller  Enthaltsamkeit.  Nach der Geburt  seiner  jüngsten Tochter Anna, waren  dies  immerhin  noch 44  Jahre.  Sex  ist eigentlich  nach Freud nur dann sinnvoll, wenn  Kinder  gezeugt  werden  können.  Davon war er überzeugt.  Die  Behauptung des bekannten zeitgenössischen  Philosophen  Peter Sloterdijk,   Freuds  Sexuallehre sei eine „Zähmungswissenschaft“, ist falsch, sagt P.-A. ALT.  Freud wollte „die Sexualität als mächtigen Faktor“ verstehen, mit der wir leben können, „ohne ihr absolute Herrschaft einzuräumen“. (Das ist auch im Sinne   der  katholischen Kirche)

 

 Freuds  Erkenntishunger  ist aber nur ein Aspekt der Erklärung, die ihn zum Durchbruch der Psychoanalyse verhalf.  P.-A. Alt schreibt:  Sadistische Episoden dürfen  ebenfalls  herangezogen werden.  Als  Kind  habe Freud  einem gleichaltrigen  Mädchen  Quälereien  zugefügt,  die bei ihm schon früh zu der Einsicht führten, dass das eigene Triebleben Gewalt zur Folge haben kann. Hier sieht man:  Am  Anfang der Psychoanalyse  stand  die  S e l b s t a n a l y s e.   Nach solchen  Ereignissen setzten bei Freud Sublimierungsprozesse in Form von wissenschaftlichen  Arbeiten  ein,   die sein Leben und  Werk  entscheidend   prägten.

 

Aber – so  meine Frage – kann  eine  Hingabe an Wissenschaft,  Forschung, Beruf, Familie, Sport,  Kultur  oder  irgendeiner  anderen  geliebten  Tätigkeit  ohne Glauben an Gott (wie das der Fall bei Freud ist)  wirklich als  Sublimation  verstanden  werden?  oder  handelt  es  sich nicht eher um „FLOW - ERLEBNISSE“ (M. Csikszentmihalyi)  das heisst,  völlige  Vertiefung  und  Konzentration,  ein  restloses  Aufgehen  in  einer  Aufgabe  oder  Tätigkeit,  die  zwar glücklich  macht,  aber  schlussendlich  ein  „Tätigkeitsrausch“  bleibt?

Sublimation  im  katholischen  Sinne  ist  anders: Sie ist eine leidenschaftliche  Hingabe an Gott – auch  ein  Prozess,  wie Heinrich SEUSE  (1295-1366)  sagt,   „muss aber sauer erworben werden.“  (Vgl. Das Büchlein der Ewigen Weisheit)